Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben ist ein listiger Kater. Roman

Das Leben ist ein listiger Kater. Roman

Titel: Das Leben ist ein listiger Kater. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Sabine Roger
Vom Netzwerk:
zu großen Brust.
    Die Zweite, viel später, war eine Chinesin namens Jiao, was »schön« bedeutet – der Name stand ihr gut. Wir haben uns drei oder vier Jahre lang in Abständen geliebt, zwischen zwei Fahrten, wenn ich ihren Hafen anlief.
    Ich habe keinen besonderen Mut bewiesen.
    Im Grunde bin ich treu, nicht nur aus Treue. Aus reinem Egoismus. Der Sex ist besser, wenn man sich gut kennt. Und ich mag keine Scherereien.
    Ich bin kein Heiliger, ich hatte jede Menge Techtelmechtel, als ich jung war und darüber hinaus. Aber der ganze Rattenschwanz an Ärger, den solche Episoden nach sich ziehen – da vergeht mir die Lust. Am Himmel der außerehelichen Liebschaften kreisen Lügen, Krankheiten, uneheliche Bälger, schlimmer als Geier über einer Leichengrube.
    In meinem Job verstanden manche nicht, warum ich nicht mehr Mädchen aufriss, wenn ich in der Ferne unterwegs war. Es stimmt schon, dass es in manchen Breitengraden einfach ist. Ich habe viele gesehen, die es mit gerade mal volljährigen Mädchen trieben – so vermeidet man Ärger. Und wenn sie noch nicht ganz alt genug sind, dann reichen meistens ein Geldschein oder ein paar Zigaretten, und schon ist die Sache vergessen. Und wenn nicht, macht man eben einen Skandal daraus und behauptet, das Mädchen hätte ein falsches Alter angegeben. Dann kommt man mit unversehrter Ehre und leerer Brieftasche wieder aus dem Polizeirevier, und am Abend gibt man eine Runde aus und lacht darüber, was soll man machen, es ist die Natur.
    Ein Schwanz, Papa, der lässt sich nichts befehlen
, singt Brassens.
    Wollte ich einen wollüstigen Lebensabend verbringen, hätte ich nur die Qual der Wahl, was das Reiseziel angeht. Ich könnte mir für zwanzig Euro im Monat ein blutjunges Mädchen ins Bett holen, Kochen und Putzen inbegriffen. Eine dieser armen Kleinen mit schwarzen Augen und bauchfreiem T-Shirt, die vor den Bars herumlungern und barfuß durch die Pfützen auf Kundenfang gehen. Und an Kunden fehlt es nicht, die Mistkerle dieser Welt sind nicht vom Aussterben bedroht, in den Brutstätten des Elends sind sie allgegenwärtig. Immer würdevoll, immer besoffen, mit knittrigen Tränensäcken und rot geädertem Gesicht. Sie ekeln mich an. Sie sind alt, sie sind hässlich. Sie sind so wie ich, heruntergekommen, verlebt. Aber das hindert sie nicht daran, ihre dicke Wampe an Mädchen zu reiben, die ihre Enkelinnen sein könnten.
    Ich kenne ihre dreckigen Witze und ihr widerwärtiges Gerede. »Hier ist das etwas anderes; das gehört zu ihrer Kultur; was willst du machen, sie brauchen Geld, es hilft ihnen zu überleben …«
     
    Es fehlte nicht viel, und sie würden sich für Philanthropen halten, diese Schweine.

N ach Annies Tod lernte ich Clotilde kennen, und später Béatrice.
    Clotilde war eine zärtliche Seele. Sie bemutterte mich, und ich ließ es mir gefallen, aber das reicht nicht für eine gute Beziehung. Wir haben uns bald gelangweilt.
    Zärtlichkeit war nicht Béatrice’ Ding. Kein Blabla, kein Geschmuse, kein überflüssiges Geturtel. Dafür Sex und Jogging. Sex jeden Morgen. Jogging nur sonntags.
    Kaum waren wir fertig, sprang sie aus dem Bett, verschwand in ihrer Küche und kochte uns Kaffee. Den machte sie sehr gut.
    Vor drei Jahren ließ sie mich dann kommentarlos sitzen, um sich mit einem Physiklehrer im Ruhestand zusammenzutun. Ich fiel aus allen Wolken.
     
    Seitdem bin ich allein, übe mich in Enthaltsamkeit und wandele auf dem Pfad der Altersweisheit.
    Ich trinke auch weniger Kaffee.

D er Physiotherapeut findet mich »prima in Schuss«. Ihm zufolge erhole ich mich »außerordentlich schnell für einen Mann in meinem Alter«. Ich habe ihn im Verdacht, dass er den gleichen Spruch bei allen Patienten auf der Station anbringt. Während der Ausbildung trichtern sie ihnen sicher die Maxime ein:
Die-Heilung-des-Patienten-findet-zu-fünfzig-Prozent-im-Kopf-statt.
    Und es stimmt schon, eine positive Einstellung kann man hier gut gebrauchen. Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer ist, wieder laufen zu lernen. Auf den Rollator zu verzichten ist noch beängstigender als das erste Mal Fahrradfahren ohne Stützräder. Und als ich das letzte Mal laufen gelernt habe, kam mir der Boden nicht so weit weg vor, nehme ich jedenfalls an.
    Es ist eine Weile her, ich kann mich nicht mehr erinnern.
     
    Vor vier, fünf Tagen hat die Rotzgöre mich am Werk gesehen.
    Sie kam ohne Vorwarnung hereingeschneit, ohne zu fragen, ob sie vielleicht stört. Warum alte Gewohnheiten ändern?

Weitere Kostenlose Bücher