Das Leben kleben
die Augen ab.
»Nathan, darf ich dich um etwas bitten?«
»Schieß los.«
»Würde es dir etwas ausmachen, auf dem Heimweg ein bisschen langsamer zu fahren?«
34 - Anwendungsmöglichkeiten von Sekundenkleber
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich quicklebendig. Es war schon spät - fast neun - und immer wieder brach die Sonne durch die Wolken und stahl sich unter das Gummiband der schwarzen Unterhose. Die Tränen gestern hatten mich erfrischt, wie der Regen in der Nacht, und die Beschäftigung mit all den Klebstoffmöglichkeiten hatte mich mit neuem Enthusiasmus für meine Arbeit erfüllt. Ich setzte mich im Bett auf und schaltete den Laptop ein. In dem Artikel, an dem ich gerade arbeitete, ging es um den Einsatz von Klebstoffen in der Medizin. Cyanoacrylat (Sekundenkleber) war in Vietnam erfolgreich in Notfallsituationen in der Kampfzone eingesetzt worden, bis die Wunden später richtig genäht werden konnten. Jetzt versuchte eine ganze Reihe von Firmen Spezialkleber zu entwickeln, die Wundnähte ersetzen sollten. Menschliche Bindungen.
Anscheinend gab es zwei technische Probleme, die überwunden werden mussten. Erstens, wie man die beiden Seiten lange genug zusammenhielt, bis der Kleber aushärtete. Zweitens, wie man die Seiten wieder trennte, ohne das Gewebe zu beschädigen.
Dann erinnerte ich mich. CYANOACRYLAT AXP-36C. Ich kramte im Nachttisch nach einem Zettel, um es aufzuschreiben, bevor ich es wieder vergaß. Ich stellte mir Rips Gesicht vor, wenn ihm klar wurde, dass er festsaß. Ich versuchte mir seinen Hintern vorzustellen, den Schmerz, wenn er versuchte, sich zu befreien. Wer würde ihn retten? Wer würde den Krankenwagen rufen? Ottoline Walker? Oder ich? Würde ich lachen? Würde ich mich zärtlich um sein festgeklebtes Hinterteil kümmern? So viele Möglichkeiten!
Ich schob die medizinischen Anwendungen von Klebstoffen beiseite, nur ganz kurz, und schlug mein Schreibheft auf.
Das verspritzte Herz Kapitel 7
Eines Abends, als sich die Familie Sinster im großen, von Kerzen beleuchteten Esszimmer unter all den Geweihen und toten Trophäen
zum Tee hinsetzte
an den reich gedeckten Abendessenstisch setzte,
hörten sie der
drang das
schallende schrille durchdringende
melodische
Klimpern Klingeln Singen
(ach, scheiß drauf)
Klingen einer Mandoline an ihre Ohren, und einen Augenblick später betrat eine große, dunkle, gutaussehende Gestalt die Halle, gehüllt- nur
(nur? woran dachte ich bloß!)
in einen wallenden Samtumhang. Als er sein Spiel beendet hatte, warf ihm Mrs. Sinster ein paar Münzen aus ihrem Seidentäschchen hin und sagte: »Oh, Mr. Mandolinenspieler, bitte kommen Sie einmal wieder. Ich bin ganz hingerissen von
Ihrer großen Mandoline
Ihrer entzückenden Volksmusik.«
Arme Mrs. Sinclair - war ich unfair? Als ich die Sinclairs kennenlernte, wirkte ihre Welt - die von unausgesprochenen Regeln und verschleierten Annahmen regiert wurde - fremd und einschüchternd auf mich, aber sie hatte sich wirklich bemüht, mir das Gefühl zu geben, ich wäre dort zu Hause, hatte mich liebenswürdig in die obskuren Geheimnisse der Serviettenringe und des Kreuzworträtsels aus dem
Daily Telegraph
eingeführt, und ich schätze, ich war eine ziemlich mürrische, undankbare Schwiegertochter. Damals hatte ich es ihnen übel genommen, dass sie keine Ahnung hatten, wie privilegiert ihr Leben war. Ich hatte es Mrs. Sinclair übel genommen, wie sie mich mit gedämpfter Stimme fragte, ob ich wirklich dem Gewerkschaftsboss Arthur Scargill die Hand geschüttelt hätte; ich war kein großer Fan des Königs der überkämmten Glatze, aber die Sinclairs redeten von ihm, als wäre er der Antichrist persönlich.
Ich brauchte lange, bis ich begriff, dass die Sinclairs wahrscheinlich ebenso viel Angst vor mir hatten wie ich vor ihnen. Zugegeben, ich machte es nicht besser, indem ich bei meinem dritten Besuch in Holtham einen großen gelben Button mit der Aufschrift DER INNERE FEIND trug. Sie müssen in mir die Vorreiterin einer finsteren Armee gesehen haben, die Ordnung, Anstand, die Fuchsjagd und alles, was ihnen sonst noch heilig war, zerstören wollte. Das Ende des Bergarbeiterstreiks war noch nicht lange her, und ich dachte, sie sollten ein bisschen aufgerüttelt werden - na ja, das ist meine Entschuldigung. Rip wollte mich erst überreden, den Button abzunehmen, aber als ich mich weigerte, stand er heldenhaft für mich ein und versuchte seinen verwirrten Eltern zu erklären, worum
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