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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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streuten ihn aus einer Pappschachtel auf Makkaroni aus der Dose. Mama sagte, es gebe den Makkaroni das gewisse Etwas.
    Ben schlürfte geräuschvoll seine Spaghetti und zog dabei Grimassen, um mich zum Lachen zu bringen, wie als kleiner Junge, wenn er so getan hatte, als äße er Würmer. Aus dem Nebenzimmer hörten wir den Fernseher, den Glockenschlag der Abendnachrichten. Ich achtete nicht darauf; ich dachte immer noch an Rip - seine Obsession mit dem BlackBerry, meine Obsession mit dem Zahnbürstenhalter. Wie hatten wir zulassen können, dass unser Glück von so trivialen Dingen zerstört wurde?
    »Warum tun sie so was?«, fragte Ben plötzlich. Sein Gesicht verdunkelte sich und er schien noch tiefer über dem Teller zu hängen.
    »Was?«
    »Selbstmordattentäter - warum sprengen sie sich selbst in die Luft?« Er lauschte den Nachrichten.
    »Weil ... wenn Menschen verzweifelt sind ... sie wollen Aufmerksamkeit...«
    Die angenehme Wärme des Rioja war verschwunden, und bohrende Kopfschmerzen gruben sich in meinen Schädel. »Wenn man unbedingt jemanden verletzen will, so sehr, dass es einem egal ist, ob man sich selbst dabei verletzt.« Verzweifelt. Ich dachte an die aufgeschäumte Milch, überall in der Küche verspritzt.
    »Aber warum
so was?
Das ist scheußlich.« Ben starrte immer noch auf seinen Teller, während er die restlichen Spaghetti auf seine Gabel rollte. Dann sagte er, ohne aufzublicken: »Es ist so wie ... Da war so ein Junge an der Schule, der sich mit einer Rasierklinge die Arme aufgeschnitten hat.«
    »Oh, Ben. Warum ...?« Plötzlich wurde mir flau im Magen - ich wusste, zu welchen Grausamkeiten Kinder untereinander fähig waren.
    »Weiß nicht. Wahrscheinlich, was du gesagt hast. Wegen der Aufmerksamkeit.«
    Ein Schauer lief mir über den Rücken. Ein verdrängtes Bild aus meiner eigenen Schulzeit kämpfte sich an die Oberfläche. Kippax. Es musste etwa 1974 gewesen sein. Ein Mädchen hatte sich auf dem Klo die Arme aufgeschnitten.
    »Ben, wenn es dir nicht gut ...«
    »Ist schon okay, Mama. Mir geht's gut. Kein Stress, echt.« Er lächelte flüchtig, dann stellte er seinen Teller in die Spülmaschine und schlurfte nach oben.
     

10 - Polymerisation
    Am nächsten Morgen hatte ich Kopfschmerzen vom Rioja, machte mir Sorgen um Ben und schlug mich mit Polymerketten herum. Polymerisation ist der Schlüssel der Klebstoffchemie - wenn sich ein einzelnes Molekül plötzlich rechts und links an zwei ähnliche Moleküle klammert, um eine Kette zu bilden. Ein bisschen wie Reigentänze. Nicht gerade das, worauf man frühmorgens besondere Lust hat. Dann klingelte das Telefon. Es war Mrs. Goodknee, die mich mit ihrer schrillen Stimme überreden wollte, ihr den Schlüssel zu überlassen, damit sie die Wohnsituation von Mrs. Shapiro prüfen konnte. Ich bestand darauf, dass wir uns Canaan House zusammen ansahen. Wir verabredeten uns für Mittag. Ich wollte Mrs. Shapiros Chancen verbessern und ging deshalb schon eine Stunde früher hin, um das Haus auf den Besuch vorzubereiten. Ich hatte einen Eimer mit Putzmitteln, Raumspray und einem Paar Gummihandschuhe beladen und ging mit forschem Schritt los. Statt des Fledermaus-Outfits trug ich ein schickes graues Jackett, in dem ich, wie ich hoffte, einen seriösen Eindruck machte. Die beißende Winterluft ließ meine zentralbeheizten Lungen bei jedem Atemzug stocken, und das gleißende Licht brannte in meinen verkaterten Augen, doch ich zwang mich, hinauf in den Himmel zu sehen. Die Wolken hatten sich aufgelöst, und ein breiter Strahl niedrigen Sonnenlichts vergoldete die oberen Fenster der Viktorianischen Reihenhäuser in unserer Straße. Mein Herz wurde leicht. Wintersonne - sie war wie ein Geschenk, wie das Versprechen, dass wieder wärmere Tage kommen würden. Ich begann zu summen:
»Here comes the sun ... na na nah na ...«
    Wieder lag ein Klumpen Vogelfedern auf dem Gartenweg - eine Taube diesmal. Ich kickte sie zur Seite. Die Katzen mussten auf mich gewartet haben, denn als ich näher kam, tauchten sie alle auf, versammelten sich zu meinen Füßen und miauten mit ihren hungrigen rosa Mäulern. Ich fütterte sie vor der Küchentür und achtete darauf, dass sich keine ins Haus schlich.
    Dann ging ich in der Küche an die Arbeit. Ich zog mein schickes Jackett aus, stülpte die Gummihandschuhe über und putzte den schimmelnden Dreck aus der Spüle. Ich füllte mehrere Müllsäcke mit Essenspackungen (auf den meisten stand
REDUZIERT)
und mit dem schwärenden Inhalt

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