Das Leben kleben
Küche und schenkte mir ein Glas Rioja ein, während sich das Gefühl des Versagens auf mich senkte wie ein Stein. Als Ehefrau versagt. Als Mutter versagt. Ohne Freunde - denn meine alten Freunde in Leeds waren auch Rips Freunde. Ich rief Stella in Durham an, aber sie war nicht da, dafür probte wieder mal die Rockband. Mama hatte genug eigene Probleme - ich würde sie anrufen, wenn es mir besser ging. Ich trank das Glas Rioja in wenigen Schlucken aus und schenkte mir nach. Vielleicht sollte ich mir eine Katze anschaffen - oder sieben oder acht.
Nein, ich würde mich einfach zusammenreißen müssen und neue Freunde hier in London finden. Eine Freundin hatte ich schon. (Der Rioja ging warm und tröstlich herunter.) Zugegeben, ihre Lebensmittelhygiene ließ zu wünschen übrig, aber wir verstanden uns gut. Außerdem hatte ich Online-Arbeitskollegen, die ich schon ewig kannte, allerdings nie gesehen hatte. Irgendwann würde ich einfach bei der
Klebstoffe-Redaktion
in Southwark hereinschneien und hallo sagen. Vor allem war ich neugierig auf Nathan, den Chef. Wenn wir telefonierten, klang er immer so sanft und vertraulich, als würde er mir anstatt technischer Informationen ein Geheimnis verraten. Ich hatte keine Ahnung, wie er aussah, doch ich stellte mir vor, dass er männlich-attraktiv war, auf eine intelligente Art, und eine Hornbrille und einen sexy weißen Laborkittel trug. Penny hatte mir gesagt, er sei Single, ich hatte also möglicherweise Chancen, und er wohnte mit seinem gebrechlichen Vater zusammen, was gutherzig und verantwortungsvoll klang.
Penny machte das Sekretariat; auch sie hatte ich nie persönlich getroffen, aber sie erzählte mir gern mit ihrer dröhnenden Stimme den neuesten Klatsch über all die anderen, die ich nie kennengelernt hatte: Sheila, die Bürogehilfin; Paul und Vic, die sich um alles Technische kümmerten und abwechselnd um Sheila; die maulende Mari, die saubermachte; Lucy aus der Design-Abteilung, die Zeugin Jehovas war und Mari damit auf den Wecker ging. Und dann gab es andere freie Mitarbeiter wie mich, deren Intimleben Penny hemmungslos vor mir ausbreitete.
Rips neue Kollegen vom Zukunftsprojekt hatten beängstigende Power. Bei einer Weihnachtsfeier letztes Jahr hatte ich einige von ihnen kennengelernt. Er stellte mir ein Ehepaar namens Tarquin und Jacquetta vor (Mama hätte sie sicher für eine Bazillenart gehalten) und Pete das Muskelpaket mit seiner Frau Ottoline. Petes muskulöse Brust sprengte fast das grellkarierte Jackett, und seine Frau sah aus wie eine Porzellanpuppe - zart und ausdruckslos, mit perfektem scharlachrotem Kirschmund und einer Stimme, die klingelte wie Kristall. Rip hatte den Abend hauptsächlich damit verbracht, auf seinem BlackBerry herumzutippen.
Ich schenkte mir noch ein Glas Rioja ein. Meine Wangen waren angenehm warm. Dann holte ich mein Schreibheft.
Das verspritzte Herz Kapitel 3
»Darling, ich muss noch ein paar wichtige Dinge mit dem BlackBerry erledigen«,
sagte
bemerkte Rick eines Abends.
»Natürlich, Liebster«,
sagte
murmelte Gina leise.
(Variieren Sie Ihr Vokabular, hatte Mrs. Featherstone uns eingetrichtert.)
»Deine Arbeit ist ungemein wichtig und sollte immer Vorrang vor allem anderen haben.«
» Was für ein Glück, dass ich eine so verständnisvolle Frau habe«,
sagte
erklärte er, küsste sie auf die Wange und verschwand.
(Ich weiß, das klingt ein bisschen unglaubwürdig, aber schließlich ist es ein Roman.)
Eine Stunde später hörte Gina ein Klingeln im Arbeitszimmer, das sich verdächtig nach Ricks BlackBerry anhörte. Doch von Rick war weit und breit nichts zu sehen.
Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. »Wann gibt's Essen?«
Ich schlug das Heft zu und schob die fast leere Weinflasche weg.
»Tut mir leid, Ben. Ich musste noch etwas fertig machen.«
Er sah mich stirnrunzelnd an. »Du solltest mit dem Zeug vorsichtig sein.«
»Wie bitte?« Ich kicherte. »Das ist doch nur ein bisschen Rioja.« Hatte er Angst, ich würde mich in eine untaugliche Mutter verwandeln? Ich sah die Besorgnis in seinem Blick und riss mich zusammen. Vielleicht hatte er nicht ganz unrecht.
Wir kochten zusammen. Pasta mit Anchovis, Brokkoli und Parmesan - ein Rezept, das ich von Mrs. Sinclair hatte. Papa hatte einmal geprahlt, dass er nie in seinem Leben Brokkoli gegessen habe und es auch nicht vorhabe. Mama sagte, dass sie von Anchovis - sie nannte sie
Anschuwies -
Mundgeruch bekam. Parmesan dagegen aßen sie - sie
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