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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Absätzen klapperten die losen Fliesen in der Eingangshalle. Ihr Blick huschte herum. Zu jedem Zimmer, das wir betraten, machte sie sich Notizen. Beim Esszimmer schrieb sie:
Gut geschnitten. Antiker Kamin.
Bei der Küche schrieb sie:
Totalrenovierung.
Als sie sah, dass ich versuchte mitzulesen, blätterte sie auf eine neue Seite.
    »Ein Haus dieser Größe ist eine Belastung«, sagte sie nicht unfreundlich. »In einem schönen Pflegeheim wäre sie viel besser aufgehoben.« Sie machte sich noch eine Notiz. »Hm. Nichts im Kühlschrank. Spricht dafür, dass sie sich nicht selbst versorgen kann.«
    »Ich habe den Kühlschrank ausgeräumt.«
    »Warum denn das?«
    »Es hat zu schimmeln angefangen.«
    »Genau das meine ich. Wir müssen tun, was das Beste für sie ist, meinen Sie nicht, Mrs. ...«
    »Sinclair. Nennen Sie mich Georgie. Hat sie da gar nichts mitzureden?«
    »Oh, doch, natürlich brauchen wir ihre Zustimmung. Und dabei könnten Sie uns sehr helfen, Mrs. Sinclair.«
    Ich fühlte, wie meine Wangen heiß wurden. Wollte sie mir fünf Mille anbieten? Doch sie lächelte nur ihr zähnefletschendes Lächeln.
    Als wir ins Schlafzimmer kamen, schüttelte sie sich und hielt sich die Nase zu. Mussorgski hatte sich irgendwie vor uns hereingeschlichen und seinen Posten auf dem Bett eingenommen. Er stellte ein Ohr auf und miaute laut, als wir hereinkamen. Violetta hatte sich uns angeschlossen und bedachte Mussorgski von der Tür aus mit einem bösen Blick.
    »Diese Katzen - die müssen natürlich weg.«
    »Es sind ihre Freunde. Sie ist einsam.«
    »Ja, Gesellschaft - ein weiterer Vorteil eines Pflegeheims.«
    Sie machte sich eine Notiz. Auf dem Boden neben dem Bett lag Mrs. Shapiros pfirsichfarbenes, seidenes Hemdhöschen, elegant, aber fleckig, das ich bei meiner hastigen Säuberungsaktion übersehen hatte. Sie bückte sich und hob es hoch, hielt es einen Moment zwischen spitzen Fingern, dann ließ sie es fallen.
    »Sie hält sich für was Besonderes, wie?«
    Ich sah, wie sie sich die Finger diskret an einem Taschentuch abwischte. Ich kann es nicht erklären, aber nach diesem verächtlichen Fingerabwischen hasste ich sie wirklich.
    Das Bad war für uns beide ein Schock. Der Gestank war eindeutig menschlich, kein Katzenurin. Die Toilettenschüssel, ursprünglich weißes Porzellan mit blauen Iris gemustert, hatte braune Flecke, war gesprungen und verkrustet. Die Verfärbung war bis in den Boden gesickert und hatte einen feuchten Kreis in die faulenden Dielen geätzt, die zum Teil unter der Schüssel eingebrochen waren, so dass diese sich in einem gefährlichen Winkel zur Seite neigte. Ein Spülbecken mit dem gleichen Irismuster hing lose an der Wand, unter den Hähnen waren grüngelbe Tropfspuren. Unter dem Fenster stand eine große emaillierte Wanne auf Klauenfüßen, mit einem altmodischen Duschkopf an der Wand. Die Schmutzränder in der Wanne wuchsen schichtweise, wie die Ringe eines uralten Baumstamms.
    »Das muss alles raus«, murmelte sie und kritzelte in ihren Spiralblock. »Zu schade.«
    Als wir wieder unten in der Halle standen, streckte sie mir die Hand entgegen. »Vielen Dank, Mrs. ... Georgie. Ich werde dann meinen Bericht schreiben.« »Sie wollen sie in ein Heim stecken, nicht wahr?«, platzte ich heraus. »Meine Empfehlung ist natürlich vertraulich.« Sie schürzte die Lippen. »Aber ich glaube, ein Pflegeheim könnte in diesem Fall durchaus die richtige Lösung sein. Wir müssen tun, was für sie am besten ist, nicht was uns gefällt, meinen Sie nicht, Georgie?«
    »Wie meinen Sie das - was uns gefällt?«
    »Für jemanden, der einen Menschen pflegt, ist es manchmal schwer, loszulassen, wenn die Zeit gekommen ist. Er denkt, er tut das alles für den anderen, dabei handelt er auch egoistisch, klammert sich an die Rolle des Betreuers, selbst wenn er nicht mehr gebraucht wird, weil es sein Selbstwertgefühl stärkt.«
    Sie lächelte ein leeres professionelles Lächeln. Ich hätte sie am liebsten mit ihrem abstoßenden Reptilien-Outfit erwürgt und ihr die klobigen Absätze in den schrillen Mund gestopft.
    »Sie halten mich also für eine egoistische Ziege mit einem Katzenkackefetisch?«
    Sie sah mich scharf an, dann beschloss sie, dass ich einen Scherz gemacht haben musste, und verzog die Lippen zu einem dünnen Lächeln. »Wir wollen es doch nicht verantworten müssen, wenn sie wieder einen Unfall hat, oder?«
    Sie drehte sich um und klackerte über den Gartenweg davon.
     
    Sobald ich wieder zu Hause war, nahm

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