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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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des widerlichen Kühlschranks. Die Vorstellung, dass ich etwas gegessen hatte, was aus diesem Kühlschrank kam, auf diesem Tisch angerichtet und in diesen Töpfen erwärmt worden war - ich hatte Glück, dass ich noch lebte. Vielleicht war es nicht der Fisch, der mich damals beinahe umgebracht hatte, sondern irgendeine tödliche Bakterienkolonie aus der Küche, gegen die Mrs. Shapiro längst immun war. Ganz unten im Kühlschrank entdeckte ich drei schwarze verhutzelte Finger. Ich brauchte einen Moment, bis ich begriff, dass es Karotten waren.
    Ich kippte Bleiche in die Spüle, wischte den Boden in der Küche und im Flur und entfernte den Katzenhaufen, der neben dem Telefontisch vor sich hin gammelte. Es waren noch fünfzehn Minuten bis Mittag. Ich ging nach oben in Mrs. Shapiros Zimmer, öffnete die Fenster, sprühte alles mit Raumspray ein, hob die Kleider vom Boden auf und schüttelte die Tagesdecke durchs Fenster aus. Dann schob ich noch die Blechdose mit Harlech Castle auf dem Schrank weiter nach hinten, so dass sie nicht zu sehen war. Von all der Bewegung war mir warm geworden, und meine Wangen glühten selbstzufrieden.
    Als ich mein Werk bewunderte, hörte ich plötzlich eine Frauenstimme im Garten. Erschrocken spitzte ich die Ohren. Sie musste direkt unter dem offenen Fenster stehen. Es war eine unangenehme, schrille Stimme, wie ein rostiges Gartentor, und sie sprach laut, im typischen Handy-Tonfall.
    »Ich gehe gerade rein, um mich umzusehen.« (Pause, während sie der Stimme am anderen Ende zuhörte.) »Ich sag Ihnen Bescheid.« (Pause.) »Hier wohnt nur so eine alte Schachtel. Die kommt ins Heim.« (Pause.) »Weiß ich noch nicht. Ich lasse ein gutes Gutachten machen.« (Pause.) »Hendrix.« (Pause.) »Bar. Fünf Mille.« (Pause.) »Damian.« (Pause.) »Ich finde es raus. Und ich frage wegen dem Baum. Muss los.« (Pause.) »Tschü-hüs.«
    Kurz darauf sah ich, wie sie mit einer Zigarette in der Hand zum Gartentor zurückging. Es war die Rothaarige, die neulich schon mal hier gewesen war - an der giftgrünen Jacke erkannte ich sie sofort. Der wattierte Stoff erinnerte mich an Eidechsenhaut. Am Tor blieb sie stehen - anscheinend um auf mich zu warten, weil sie damit rechnete, dass ich von der Straße kam. Ich wollte nicht, dass sie mich aus dem Haus kommen sah, also nahm ich mein Jackett, ging durch die Küchentür nach hinten hinaus, schloss hinter mir ab und sah mich nach einem zweiten Ausgang um. Ein moosbewachsener Pfad führte durch einen langen Garten, an dessen Ende ein paar verfallene Schuppen, früher wohl die Ställe, standen. Dort war ein Tor. Es war verriegelt, aber ich schaffte es, den Riegel aufzustemmen, und dann stand ich in einer kopfsteingepflasterten Gasse, über die man früher zu den Ställen gekommen war; heute war sie vollkommen zugewachsen, doch sie führte zum Totley Place zurück. Als ich um die Ecke bog, sah ich Mrs. Goodknee, die am Gartentor wartete und dabei in einer Akte blätterte.
    »Hallo. Ich bin Georgie Sinclair. Tut mir leid, dass Sie warten mussten.«
    Sie musste Mitte vierzig sein, etwa in meinem Alter oder vielleicht sogar ein bisschen jünger, doch sie zog sich so bieder an, dass sie älter wirkte. Ihre Knie waren nicht zu sehen, aber ich bezweifelte, dass sie Grübchen hatten. Dann reichte sie mir ihre Visitenkarte. Aha.
    »Margaret Goodney. Ich leite die Abteilung für Soziales im Krankenhaus. Danke, dass Sie gekommen sind. Haben Sie den Schlüssel?« Ihre ehemals offenen ostenglischen Vokale waren zu einem nichtssagenden Konzerndialekt zusammengepresst.
    Ich ging voran zum Haus. Glücklicherweise waren die Katzen verschwunden und kümmerten sich um ihre Katzenangelegenheiten. Nur die hübsche freundliche Violetta tauchte auf und rieb sich an unseren Beinen.
    »Hallo, Miezekätzchen«, schrillte Mrs. Goodney. »Was bist du denn für eine Hübsche?«
    Sie nahm einen Spiralblock aus der Schultertasche und schlug eine neue Seite auf.
Canaan House, Totley Place
schrieb sie oben auf die Seite. Zweimal unterstrichen.
    »Das ist ja ein richtiger Urwald, was? Der Baum muss unbedingt gefällt werden.« »Er steht unter Naturschutz.« Sie machte sich eine Notiz.
    Als ich Mrs. Shapiros Haus durch Mrs. Goodneys Sozialdienst-Augen sah, wurde mir klar, wie fruchtlos meine Aufräumversuche gewesen waren. Sobald wir die Schwelle übertreten hatten, rümpfte sie die Nase.
    »Puh! Hier stinkt es wie im schwarzen Loch von Kalkutta.«
    Das Raumspray war bereits verflogen. Unter ihren

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