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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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nicht danebenstehen und zusehen, wie sie von diesen beiden Gaunern ausgenommen wurde wie eine Weihnachtsgans.
    »Ich glaube, der Sherry war als nette Geste gemeint. Als Geschenk. Er hat nicht damit gerechnet, dass sie ihn gleich aufmacht und trinkt. Das war ihre Idee. Anscheinend hat sie ihm auch noch schöne Augen gemacht.«
    »Ich bitte Sie! Sie ist einundachtzig. Und wieso hat er ihr überhaupt ein Geschenk mitgebracht?«
    »Ein Zeichen der Hochachtung für eine geschätzte Klientin.«
    »Aber sie ist nicht seine Klientin. Er ist aus heiterem Himmel an ihrem Krankenhausbett aufgetaucht.«
    »Nick sagt, sie sei einverstanden gewesen. Mehr als einverstanden. Geradezu erpicht. Er hat mir übrigens auch gesagt, dass sie gar nicht Ihre Tante ist.«
    Er sah mich unter gesenkten Lidern hervor an, und ein kleines Lächeln spielte um seine ... wie würde man diese Lippen beschreiben? Nicht voll und sinnlich. Nein. Aber eindeutig ... zum Küssen.
    »Schön, das habe ich erfunden. Aber das verändert nichts.«
    »Es wirft die Frage auf, welches Interesse an dem Objekt
Sie
verfolgen.«
    »Ich verfolge überhaupt kein Interesse. Ich möchte nur nicht, dass eine alte Dame über den Tisch gezogen wird. Irgendwie muss er von dem Haus erfahren haben.« Dann fiel der Groschen. »Er hat von
Ihnen
davon erfahren.«
    Unsere Blicke trafen sich. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass seine Augen nicht braun waren, wie ich gedacht hatte, sondern ein dunkles Meergrün, mit Einsprengseln aus Gold und Obsidian in der Tiefe.
    »Ich habe unser Gespräch erwähnt. Aber ich habe natürlich nicht damit gerechnet, dass er sich so brennend dafür interessiert. Er ist ein sehr leidenschaftlicher Mann, wissen Sie. Das ist unser Motto bei Wolfe & Diabello. Leidenschaft für Immobilien.«
    »Leidenschaft« - die Art, wie er das Wort aussprach ...
    »Und er fand, Mrs. Shapiro verdient einen ausführlicheren Einblick in seinen Service?«
    »Haargenau.«
    »Wie ich?«
    »Das liegt an Ihnen, Georgina.«
    »Danke. Es war nett, mit Ihnen zu plaudern.« Ich stand abrupt auf und warf dabei meine Kaffeetasse um. Auch er stand auf und streifte mich auf dem Weg zur Tür. Ich spürte ein Zittern - oder war es ein Schauder?
    »Das Vergnügen liegt ganz auf meiner Seite«, sagte er.
    Durchs Fenster sah ich, dass es wieder schneite.
    Nachdem er fort war, setzte ich mich aufs Sofa und atmete tief.
Einatmen - zwei - drei - vier. Ausatmen - zwei - drei - vier.
Aus irgendeinem Grund schlug mein Herz schneller. Ja, ich wusste in meinem vernünftigen Inneren, dass ein Mann wie Mark Diabello das Letzte war, was ich in meinem Leben brauchte - ein Immobilienmakler mit einer Stimme wie Melasse und mit Schwarz und Gold in den Augen. Doch ich war unglücklich und wütend und bedürftig. Es war lange her, dass mich jemand mit Begehren angesehen hatte. Und eine kleine Stimme in meinem Hinterkopf flüsterte - warum nicht?
     

22 - Ermüdungsbrüche
    Am nächsten Tag schneite es immer noch den gleichen pudrigen Schnee, als ich, unterwegs zum Einkaufen, am Schaufenster von Wolfe & Diabello vorbeikam. Ich musste eine neue Tonerkassette für den Laserdrucker, ein paar neue Schreibhefte und eine Packung Schokopops besorgen (ich fand sie ekelhaft, aber Ben mochte sie, und ich lag im ständigen Wettbewerb mit dem, was er in Islington bekam). Als ich einen flüchtigen Blick ins Fenster warf, sah ich, wie sich Nick Wolfe über den Schreibtisch einer jungen Blondine beugte, die wie ein Klon von Suzi Brentwood aussah. Einem Impuls folgend drückte ich die Tür auf und ging hinein. Beide sahen auf, als die Tür klingelte. »Mr. Wolfe, ich bin froh, dass Sie da sind. Haben Sie einen Moment Zeit?«
    Die blonden Stoppeln auf seinem Kopf glänzten, als er sich aufrichtete. Er führte mich in sein Büro hinter dem Geschäftsraum und rückte zwei Stühle zurecht.
    »Was kann ich für Sie tun, Georgette?« Er lächelte wölfisch.
    Ich erklärte ihm meine Sorge wegen des Haupthahns und des Schlüssels zur Hintertür, wobei ich mir Mühe gab, neutral zu klingen und keinen Vorwurf durchhören zu lassen.
    »Sie haben schon mit meinem Kollegen Mark Diabello darüber gesprochen, nicht wahr?«
    Seine Stimme war noch sonorer als Marks. Ich nahm an, er hatte eine Privatschule besucht, während Mark sich aus eigener Kraft hochgearbeitet hatte. Wie ich. Demonstrativ sah er auf die Uhr. Ich ignorierte den Wink.
    »Ich verstehe einfach nicht ganz, was Sie und Mr. Diabello vorhaben.« Ich lächelte süß und sah ihm

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