Das Leben kleben
hingestellt hatte. Dann schloss ich die Tür hinter mir und öffnete die Tür zum Dachboden.
Ich war noch nie da oben gewesen und hatte Mark Diabello innerlich belächelt, als er von einem Penthouse gesprochen hatte, doch als ich die steile Treppe hinaufkletterte, flutete Licht durch zwei hohe runde Giebelfenster, und eine weitere Lichtsäule fiel durchs Dach und strahlte die breiten, mit Balken durchzogenen Giebel an, die zwei hübsche Zimmer mit schrägen Decken und einer fantastischen Aussicht auf die Baumwipfel der Highbury Fields ergaben.
Allerdings waren die Zimmer voller Gerumpel - Stapel und Bündel und Kisten, alles staubig übereinandergetürmt. Ich seufzte. Es würde Ewigkeiten dauern, all das Zeug durchzugehen. Wahllos machte ich eine Kiste auf - sie war voller Bücher. Ich nahm eines heraus und schlug es auf.
Die heilige Teresa von Avila: Ein Leben in Hingabe.
Nicht mein Geschmack. In anderen Kisten waren Geschirr, Besteck und ein paar grässliche Porzellanfiguren. Ein Schrank, der vielversprechend aussah, enthielt nichts als Gummibänder und Deckel von Marmeladengläsern - Dutzende davon - und ein paar Rezeptbücher und Zeitschriften von vor dem Krieg. Es gab keine Papiere oder Fotos, keine Briefe oder Tagebücher, nichts, was die Lücken in Mrs. Shapiros Geschichte hätte füllen können.
Zu meiner Linken öffnete sich ein kleiner Durchgang zu einer Wendeltreppe, die noch weiter nach oben in einen kleinen runden Raum führte. Der märchenhafte kleine Turm, der aus der Westseite des Hauses ragte. Das Turmzimmer war kaum groß genug, dass ein Sessel hineinpasste, und viel mehr stand auch nicht darin, ein breiter Sessel mit verblasstem blauem Samtpolster, Klauenfüßen und einer Lehne mit Schneckenverzierungen, daneben ein kleines verschnörkeltes Tischchen am Fenster. Als ich mich setzte, stieg eine Staubwolke auf und ich musste niesen. Ich sah hinaus auf den urwaldartigen, regennassen Garten und stellte mir vor, wie herrlich es sein musste, an einem ruhigen Nachmittag mit einer Tasse Tee, etwas Plundergebäck und einem guten Buch hier oben zu sitzen; und plötzlich, aus heiterem Himmel, hatte ich das intensive Gefühl der Gegenwart - von jemand anderem, der hier gesessen und hinausgesehen hatte, genau wie ich jetzt.
Wem hatte dieser Sessel gehört? Wer hatte hier gesessen und in den Garten geblickt? Meine ruhelosen Hände wanderten über den Samt, und plötzlich stießen sie auf etwas Hartes - eine Münze. Ein großer altmodischer Penny mit einem Bild von Queen Victoria, der in der Ritze des Sessels steckte. Ich tastete die Ritze ab und fand außerdem eine Büroklammer, eine Zigarettenkippe und ein kleines zerknittertes Foto. Ich strich es glatt. Es war das Foto eines Babys, eines bildhübschen braunäugigen Babys. Ob es ein Junge oder ein Mädchen war, ließ sich nicht sagen. Jemand hielt es unter den Armen hoch, und das Kleine lachte zahnlos in die Kamera.
»Huu-huuu! Jemand zu Hause?«
Ich fuhr zusammen. Ich hatte die Haustür offen gelassen, fiel mir ein. Mit schlechtem Gewissen schob ich die Münze und das Foto wieder in die Ritze und stieg nach unten. Im Flur stand Mrs. Goodney und grinste mich selbstgefällig an.
»Ich dachte mir, dass ich Sie hier finden würde. Sie schauen sich gründlich um,
was?«
Sie trug dieselben Schuhe mit den klobigen Absätzen und einen hässlichen Regenmantel aus irgendwie schuppig wirkendem Stoff in fast dem gleichen Echsengrün. Wahrscheinlich hatte ihr mal jemand gesagt, dass die Farbe ihr stand.
»Mrs. Shapiro hat mich gebeten, die Katzen zu füttern. Sie hat mir den Schlüssel gegeben.«
»Sie sollen Sie im Schlafzimmer füttern? Na, das bezweifle ich.« Ich wurde rot, mehr aus Wut als aus Verlegenheit, doch ich hielt den Mund. »Jedenfalls können Sie mir den Schlüssel jetzt geben, denn wir haben festgestellt, dass Sie gar nicht die nächste Angehörige sind. Sie hat einen Sohn.«
Ich schnappte nach Luft - das Baby! Doch irgendwas an der Art, wie Mrs. Goodney mich ansah, gab mir das Gefühl, sie bluffte. Oder wollte Informationen aus mir herausholen. Nun, das war ein Spiel, das ich auch spielen konnte.
»Ich glaube nicht, dass er den ganzen Weg aus Israel hierherkommt, um die Katzen zu füttern.«
Sie blinzelte, ein schnelles Reptilienblinzeln. »Wir sind mit internationalen Behörden vernetzt, wissen Sie. Wir werden ihn bitten, sich um die Sachen seiner Mutter zu kümmern, wenn das Haus verkauft wird.«
»Sie können das Haus nicht ohne ihre
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