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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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der großen Couch verstaute. Es sollte meinem Bruder nun während seines Besuchs als Gästebett dienen.
    Barack meinte, als ich ihm gegenüber meine Bedenken hinsichtlich des Wohnkomforts äußerte, er sei »sehr pflegeleicht«. Er erklärte mir, solange er irgendwo einen Schlafplatz hätte, joggen könnte und etwas zu essen bekäme, sei er glücklich. Letztere Bemerkung bedeutete aber für mich eine kleine Herausforderung. Ich war noch nie sehr häuslich gewesen und fand die Vorstellung, jeden Tag für eine warme Mahlzeit sorgen zu müssen, belastend. Normalerweise aß ich in der Uni-Mensa, zu Hause eigentlich nie. Als Barack kam, versuchte ich mich umzustellen und regelmäßig ein warmes Essen auf den Tisch zu bringen. Oft aber vergaß ich zu kochen oder einzukaufen, und mein Bruder musste sich dann mit Erdnussbutter-Sandwiches und Salat begnügen.
     
    Tante Zeituni und ich holten Barack in meinem blauen Käfer vom Flughafen ab. Ich war aufgeregt, es war ja erst unsere zweite Begegnung.
    Er selbst war gut gelandet, aber sein Koffer offenbar nicht. Am nächsten Tag mussten wir noch einmal zum Flughafen fahren, um uns zu erkundigen, wo sein Gepäck geblieben war. Ich sehe uns noch am Schalter von Kenya Airways stehen, wo Barack mit einer der Mitarbeiterinnen vom Bodenpersonal sprach, einer jungen Frau, großgewachsen, mit hübschem, ebenmäßigem Gesicht und wunderbar glatter, brauner Haut. Mein Bruder war ihr gutes Aussehen keineswegs entgangen, denn als wir seinen Koffer schließlich ausgehändigt bekommen und verstaut hatten und im Auto saßen, machte er eine Bemerkung über ihre attraktive Ausstrahlung.
    Ich erinnere mich noch, dass wir daraufhin ganz allgemein über Beziehungen sprachen. Er erzählte mir, dass er gerade mit seiner Freundin Schluss gemacht habe. Sie hätten zusammen studiert, sich jedoch auseinandergelebt und schließlich getrennt, unter anderem deshalb, weil Barack vorhatte, nach seiner Zwischenstation in Chicago an der Harvard University seine Ausbildung fortzusetzen. Er wollte also nicht mehr an die Westküste Amerikas zurückkehren, sondern länger im Osten des Landes bleiben.
    Natürlich fragte mich Barack, wie es denn so mit meinem deutschen Freund liefe. Da Karl erst kürzlich nach Deutschland zurückgekehrt war und ich ihn sehr vermisste, lag mir förmlich das Herz auf der Zunge.
    »Es hat dich ja wirklich erwischt«, sagte Barack, nachdem ich ihm von Karl vorgeschwärmt hatte.
    »So sollte es doch sein, wenn man verliebt ist«, meinte ich. »Auf jeden Fall bin ich glücklich, abgesehen davon, dass er mir fehlt.«
    Barack lachte: »Stimmt, du strahlst richtig!«
     
    Wieder redeten wir fast ohne Unterlass. Meinen Bruder beschäftigten viele Fragen, und mit dem Verstreichen der Tage wurden es immer mehr.
    Während eines unserer Gespräche erklärte er mir, warum er vorhabe, nach Harvard zu gehen. Er hatte bereits am Occidental College und an der Columbia University in New York Politikwissenschaften studiert. Nun wollte er noch das Examen in Jura absolvieren, obwohl er immer noch in Chicago in den »Projects« tätig war.
    »Was ich jetzt mache, ist noch längst nicht genug«, sagte er entschlossen. »Durch meine Arbeit kann ich nur sehr wenig bewirken. Ich stehe mit den Leuten, für die ich mich einsetze, vor dem Rathaus und demonstriere. Ich tröste sie, wenn sie durch Gewalt ein Kind verlieren oder sich über die schlechten Schulen, die notdürftige Gesundheits- oder fehlende Altersversorgung beschweren, aber letztlich kann ich nichts verändern.«
    Ich verstand ihn nicht ganz. »Aber du veränderst doch etwas. Du gibst den Leuten Hoffnung auf eine bessere Zukunft.«
    Barack schaute mich ernst an. »Das reicht aber nicht. Ich will ihnen nicht nur Hoffnung geben. Ich will ihnen oder wenigstens ihren Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen.«
    »Und wie willst du das anstellen?«
    »Indem ich selbst Teil des Systems werde. Indem ich Einfluss auf die Gestaltung der Gesetze nehme, mitentscheide, ob sie in Kraft treten oder nicht. Nur so kann ich wirklich etwas bewirken.«
    »Ein Jurastudium reicht aber doch nicht aus, um solche großen Pläne realisieren zu können.«
    »Natürlich nicht. Ich will ja auch nicht Jura studieren, um anschließend allein als Anwalt zu arbeiten. Ich will mich mit den Gesetzen des Landes befassen und sie, wo nötig, beeinflussen. Und von meinen Mitmenschen verlange ich, dass sie diese in Frage stellen und nach echten Lösungen suchen, die sich gesetzlich

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