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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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mit dem Stock züchtigen, und unser Vater sträubte sich vehement dagegen, von einer Frau geschlagen zu werden. Es gelang ihm sogar, seine Eltern zu überreden, ihn nach N’giya, einem vier Kilometer entfernten kleinen Ort, in die Schule zu schicken.
    Barack lernte auch neue Verwandte kennen und nahm intensiv am ländlichen Familienleben teil. Mein Bruder sah sich alles genau an, so klein der Ausschnitt auch auf dem Hof unserer Großmutter war, er wollte so viel wie möglich von dem traditionellen Leben der Luo mitbekommen. Er ging mit unserer Großmutter auf die Felder und beobachtete, wie sie bewirtschaftet wurden. Zusammen begleiteten wir sie auf den Markt. Dorthin brachte sie den im Garten gezogenen Kohl und andere Gemüsesorten, und Barack half ihr, den großen Sack zu tragen. Alle Leute beäugten ihn neugierig, und Großmutter Sarah erzählte ihnen begeistert von ihrem Enkel, der den ganzen Weg von Amerika nach Kenia zurückgelegt habe, um sie zu besuchen. Leider sprach Barack kein Luo, und meine Großmutter konnte sich nur schwer auf Englisch unterhalten. Dennoch gelang ihnen eine wundervolle Kommunikation mit Gesten.
     
    Nach einigen Tagen verließen wir meine Großmutter, da wir vorhatten, noch nach Karachuonyo zu fahren. In diesem Ort in einer Bucht am Viktoriasee lebten weitere Mitglieder der Obama-Familie. Hier hatten sich auch mein Vater und meine Mutter beim Tanzen ineinander verliebt. Die Obamas stammen zwar ursprünglich aus Alego, doch unser Urgroßvater, Obama Opiyo, verließ Alego, um sich in Karachuonyo niederzulassen, wo ihm Land zugeteilt wurde. Dort kamen auch seine Söhne und Töchter zur Welt. Eines dieser Kinder war mein Großvater, Onyango Hussein. Großvater Onyango war ein sehr gemeinschaftsorientierter junger Mann, der gern am politischen Geschehen in Kendu Bay teilnahm. Doch wurde ihm immer zu verstehen gegeben, dass er ein Zugewanderter sei und daher bei Entscheidungen nichts zu sagen habe. Da er ein stolzer Mann war, wollte er sich nicht länger zurückgesetzt fühlen, also machte er sich mitsamt seiner Familie auf, um in die Heimat seines Vaters zurückzukehren. Seine Geschwister blieben zurück und siedelten sich in Karachuonyo an, wo sie wiederum ihre Familien gründeten.
    Großvater Onyango wurde bei seiner Rückkehraktion begleitet von meiner leiblichen Großmutter, Akumu, der zweiten Frau und Mutter meines Vaters, sowie von Sarah, seiner dritten Frau, damals seine junge Braut. Seine erste Frau Halima weigerte sich mitzukommen. Sie hatte gehört, dass Alego sehr primitiv und rückständig sei, und wollte nicht dort leben. Akumu hielt es dann aber auch nicht lange in Alego aus. Nach kurzer Zeit verließ sie den Hof und ließ ihre drei Kinder zurück, meinen Vater und seine Schwestern Nyaoke und Auma. Nyaoke, die älteste, war damals zwölf, mein Vater neun. Auma war noch ein Baby. Sie alle wuchsen bei Großmutter Sarah auf.
    In Kendu Bay hieß man uns ebenso herzlich willkommen wie in Alego. Die Verwandten freuten sich, Barack kennenzulernen. Sie stellten fast genauso viele Fragen wie er. Für mich war es nicht immer einfach, Barack mit seinen Angehörigen bekannt zu machen, ohne mich im Wirrwarr der Verwandtschaftsbeziehungen zu verlieren.
    Zurück in Nairobi wurden wir von weiteren Familienmitgliedern zum Essen eingeladen. Bei manchen hätte ich es gern gehabt, wenn Barack allein hingegangen wäre, doch mein Bruder bestand darauf, dass ich ihn begleitete. Onkel Odima gehörte zu denjenigen, die ich nicht unbedingt sehen wollte. Ich hatte nur unangenehme Erinnerungen an ihn und seine Familie und stand schon seit vielen Jahren nicht mehr mit ihm in Verbindung. Jetzt aber hatte ich Barack durch all meine Erzählungen neugierig auf diesen Onkel gemacht.
    »Odima hat bei euch, bei unserem Vater gewohnt. Ich muss ihn und seine Familie treffen.« Mein Bruder sah mich bittend an.
    »Das sollst du auch. Ich will nur nicht dabei sein.«
    »Das wäre unhöflich. Sie wissen doch bestimmt, dass ich bei dir wohne.«
    Ich wollte Barack nicht sagen, dass mir das egal war und dass ich dieser Familie nichts schuldete. Nur weil ich seine enttäuschte Miene sah, gab ich nach.
     
    Schwierig war auch der Besuch bei Ruth. Ich hatte sie zufällig in der Stadt getroffen und ihr erzählt, dass Barack bei mir sei. Sie lud uns zu einem Mittagessen ein und erwähnte, dass auch Mark (Okoth) sich gerade in Nairobi aufhalte. Ich nahm die Einladung an, denn ich fand, dass Barack auch diesen jüngeren Brüder

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