Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise
wären wir auf großer Abenteuerreise gewesen. So waren wir damals: Für ein kleines Vergnügen scheuten wir selbst den größten Aufwand nicht.
Ähnlich wie auf der Hinfahrt war die Straße leer und lief die meiste Zeit geradeaus. Rechts und links breitete sich eine trockene Landschaft mit niedrigen Büschen aus. Sie wirkten, als wären sie längst abgestorben, hätten sie nicht kleine, knallrote Blüten getragen, die am Horizont verschwammen und wie ein loderndes Feuer aussahen – ein schaurig-schöner Anblick.
Aber noch war unser Abenteuer nicht beendet. Nach einigen Stunden Fahrt fing der Käfer an zu stottern, und schließlich blieb er ganz stehen. Wir stiegen aus. Karl und Patrick forschten nach dem Grund der Panne, und ich setzte mich auf einen Felsbrocken und schaute vor mich hin. Wir hatten es ja nicht eilig.
Es dauerte nicht lange, da hatten die beiden Männer die Ursache des Problems entdeckt. Sand hatte den Motor lahmgelegt. Aber von einer Siedlung oder einem Dorf, geschweige denn einer Werkstatt war weit und breit nichts zu sehen. Und einem anderen Auto waren wir auch noch nicht begegnet. Wir waren völlig auf uns gestellt.
Noch heute staune ich darüber, dass mir das damals nichts ausmachte. Ich war sicher, dass wir diese Schwierigkeit irgendwie meistern würden. Und in der Tat fand Patrick die Lösung. Er hatte schon einmal in einer Kfz-Werkstatt ausgeholfen und wusste, um weiterfahren zu können, mussten wir es nur schaffen, den Vergaser vom Sand zu reinigen.
Die beiden Männer steckten die Köpfe unter die Motorhaube und befassten sich mit den Eingeweiden des Käfers.
»Es bleibt uns nichts anderes übrig. Wir müssen alles mit Benzin säubern«, stellte Patrick schließlich fest.
»Wie wollt ihr das denn machen?«, fragte ich. »Wir haben kein richtiges Werkzeug dabei, schon gar keine Schläuche.«
»Mit dem Mund«, antwortete Patrick entschlossen.
»Wie bitte? Geht das überhaupt?«
»Es geht, wir müssen dazu das Benzin aus dem Tank mit dem Mund ansaugen und die einzelnen Teile damit säubern.« Karl klang nicht sehr begeistert. Ich war es auch nicht.
»Seid ihr sicher?« Ich schaute erst zu Patrick und dann zu meinem Freund.
»Wir haben keine andere Wahl«, sagten die beiden Männer fast gleichzeitig.
»Sonst müssen wir an dieser Stelle bleiben, bis jemand uns findet«, ergänzte Karl.
»Das könnte aber Tage dauern!« Ein winziges Gefühl von Panik flackerte in mir auf. Wir hatten in den vergangenen zwei Tagen ja höchstens ein oder zwei Autos gesehen.
»Eben«, bemerkte Karl nüchtern.
Ich sagte nichts mehr.
»Also los!« Patrick versuchte es mit Elan.
»Kann ich etwas tun?« Ich wollte nicht nur dasitzen und zuschauen, wie meine Begleiter Benzin schluckten.
»Nein. Halt einfach Ausschau nach einem Auto.«
In der Tat eine große Aufgabe! Also schaute ich hilflos zu, wie Patrick und Karl den Vergaser abmontierten und anfingen, ihn mit dem angesogenen Benzin zu säubern.
Die ganze Angelegenheit dauerte über eine Stunde, schließlich hoben die Männer die Köpfe und schauten sich an.
»Ich denke, das war’s«, meinte Patrick. Alles stank nach Benzin, und ich war froh, dass keiner von uns rauchte – wer weiß, welcher Gefahr wir uns da ausgesetzt hätten.
In diesem Augenblick klang das Aufheulen des Motors in meinen Ohren wie die schönste Melodie. Erleichtert atmeten wir auf. Während wir weiterfuhren, wurde ich den Gedanken nicht los, dass wir verdammtes Glück gehabt hatten.
20
Seit meiner Reise nach Chicago war der Austausch mit meinem Bruder – wie ich es geahnt, nein, gewusst hatte – rege geblieben. Und als er erfuhr, dass ich ein Jahr lang in Kenia arbeiten würde, wollte er mich dort besuchen und bei der Gelegenheit zum ersten Mal das Land seines Vaters sehen. Barack hatte aber nicht die Absicht, nur für ein paar Tage zu bleiben, sondern er wollte sich für seine Spurensuche einen ganzen Monat Zeit nehmen. Sein Wunsch war es, möglichst viele Verwandte kennenzulernen und mit mir die Gespräche fortzusetzen, die wir begonnen hatten.
Karl war nach einem schmerzhaften Abschied wieder nach Deutschland zurückgekehrt, und in meiner kleinen Wohnung im wunderschönen Stadtteil Keleleshwa war es sehr einsam geworden. Umso mehr freute ich mich darauf, Barack zu Gast zu haben. Die Wohnung war zwar nicht sehr groß, aber für meinen Bruder und mich würde sie reichen. Von einem Bekannten lieh ich mir ein Klappbett, das ich im Wohnzimmer hinter
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