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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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großen Sees, der sich vor unseren Augen erstreckte, wirkte ausgestorben, überhaupt machte die ganze Gegend einen sehr einsamen und verlassenen Eindruck. Doch als wir uns dem Gästehaus näherten, sahen wir, dass es nicht geschlossen war. Wir setzten uns auf die Veranda und genossen die Stille und den beeindruckenden Blick auf die endlose Wasserfläche eines Gewässers, das zirka fünfzehnmal so groß ist wie der Bodensee. Kurz darauf näherte sich von der Theke her ein Kellner und brachte uns die Speisekarte.
    »Mal sehen«, sagte ich, nahm die Karte und bat den Ober, uns etwas Zeit zum Auswählen zu lassen. Der nickte und ging zurück zur Theke, von wo aus er jedoch unentwegt zu uns herüberschaute.
    »Er denkt bestimmt, wir hätten kein Geld«, sagte ich leicht genervt zu Karl.
    »Damit hat er ja auch recht«, meinte dieser und grinste.
    »Aber das kann er doch gar nicht wissen. Er duldet uns hier nur, weil du dabei bist. Sonst hätte er uns schon längst verscheucht.«
    »Wieso ich?«, fragte Karl verwirrt.
    »Weil du weiß bist. Also musst du Geld haben. Das denken die Leute hier jedenfalls.«
    »Wenn er wüsste!«
    »Ja, wenn er wüsste!« Ich fand die Situation gar nicht komisch.
    Es war nicht das erste Mal, dass wir in eine solche Situation gerieten. Immer wieder war es vorgekommen, dass wir in ein Lokal gingen und die Bedienung mich als Anhängsel eines weißen Mannes völlig ignorierte, bis es dann ans Bezahlen ging und Karl auf mich zeigte. Die peinlich berührten Gesichter trösteten mich dann aber nicht.
    »Okay, mal sehen, was wir hier überhaupt essen können«, sagte Karl. »Übernachten werden wir hier nämlich auf keinen Fall. Hast du die Zimmerpreise gesehen? Davon können wir eine ganze Woche unsere Lebensmittel bezahlen.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich hab’s am Eingang gesehen, auf dem Weg zur Toilette.«
    Am Ende wählten Patrick und ich eine Limonade und Karl eine Cola. Der Kellner schien nicht gerade begeistert zu sein von unserer üppigen Bestellung.
    Außer dem grandiosen Seepanorama hatte der Turkanasee nichts Besonderes zu bieten. Ich ging zum Ufer und tauchte meine Hand ins Wasser – vorsichtig, da die Ufervegetation nach einem geeigneten Tummelplatz für Krokodile aussah. Ich wusste, dass es hier diese gefräßigen Reptilien gab. Das Wasser sah sehr sauber aus und schimmerte silbern-bläulich. Ich staunte, wie weich es sich anfühlte, gleichsam wie eine Handcreme.
    Unsere Gläser hatten wir schnell geleert. Der unfreundliche Kellner stand immer noch in der Nähe, als wolle er uns verjagen, was mich angesichts der Tatsache, dass die Lodge so ausgestorben war und wir ja etwas bestellt hatten, noch mehr irritierte. Er könnte sich wenigstens über die Gesellschaft freuen, dachte ich, und hinterließ ihm kein Trinkgeld.
    Wir brachen auf, weil wir uns noch vor Einbruch der Dunkelheit einen Platz zum Übernachten suchen mussten. Das Aufschlagen des Zeltes allein war schon ein Abenteuer, denn der Boden bestand nur aus Sand und hohen Grasbüscheln, war also zum Verankern der Heringe höchst ungeeignet. Den Ort wechseln, um nach festerem Boden zu suchen, wollten wir jedoch nicht, da wir es vorzogen, für alle Fälle in der Nähe der Lodge zu bleiben.
    Irgendwie gelang es uns schließlich, das Zelt zwischen den Grasbüscheln aufzubauen. Noch im Nachhinein schaudert mich bei dem Gedanken, dass gar nicht weit entfernt von unserer wenig Schutz bietenden Unterkunft mit Sicherheit Krokodile umherstreiften.
    Die Nacht war ein Abenteuer für sich. Stundenlang heulte draußen der Wind, und ich hatte das Gefühl, jeden Moment würde das Zelt vom Boden gehoben und auf den Turkanasee hinausgetragen werden. Ein paarmal mussten Karl oder Patrick es verlassen, um die Verankerungsstifte wieder festzuklopfen. Sobald sie den Reißverschluss aufzogen, blies der Wind Sand ins Innere des Zeltes, der sich in jede Falte und jede Ritze setzte. Das einzig Gute an dem sandigen Boden war, dass er einen relativ bequemen Untergrund abgab, auch wenn durch den Wind die halbe Nacht nicht an Schlafen zu denken war.
    Am nächsten Morgen machten wir wie am Abend zuvor ein kleines Feuer, wärmten ein paar Dosen mit dicken Bohnen auf und verzehrten den Inhalt mit etwas Brot. Und schon wenig später brachen wir wieder in Richtung Nairobi auf. Wir hatten die weite Strecke zurückgelegt, um den See zu sehen, hatten eine Cola und zwei Limonaden getrunken, in einem windumbrausten Zelt miserabel geschlafen und fühlten uns, als

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