Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)
hintereinander sich auszuhalten pflegte. Auf diese Weise verlebte er den Monat Ramadan, den heiligen Monat der Araber. Solch angestrengte Beschäftigung des Geistes mit Einem Gegenstande, verbunden mit einer glühenden Begeisterung des Gemüths, mußte einen gewaltigen Eindruck auf sein Wesen ausüben. Er war Träumen und Entzückungen ausgesetzt. Sechs Monate nach einander hatte er, nach einem seiner Geschichtsschreiber, beständig Träume, welche den Inhalt seiner Gedanken im Wachen darstellten. Oft pflegte er alles Bewußtsein von den ihn umgebenden Gegenständen zu verlieren und auf dem Boden zu liegen, als wenn er empfindungslos wäre. Khadidschah, die bisweilen die treue Genossin seiner Einsamkeit war, sahe diese Anfälle mit ängstlicher Unruhe und suchte die Ursache zu erfahren; aber er wich ihren Nachforschungen aus oder beantwortete sie geheimnißvoll. Einige seiner Feinde haben dieselben der Epilepsie zugetheilt, allein fromme Moslemen erklären, daß sie Erscheinungen des Prophetenthums gewesen seien, denn die Eingebungen des Allerhöchsten, sagen sie, begannen, obschon noch unbestimmt, in seinem Geiste bereits zu dämmern, und sein Verstand mühte sich mit Begriffen ab, welche für die Denkkraft des Sterblichen zu groß sind. Endlich, sagen sie, wurde das, was bis hieher in Träumen dunkel angedeutet worden war, durch eine Engelerscheinung und eine göttliche Ankündigung offenbar und deutlich.
Es war in dem vierzigsten Jahre seines Alters, als diese berühmte Offenbarung statt fand. Von arabischen Schriftstellern werden darüber Erzählungen mitgetheilt, als wenn sie dieselben von seinen eigenen Lippen empfangen hätten, und es wird in gewissen Stellen des Korans darauf angespielt. Er verlebte, wie es seine Gewohnheit war, den Monat Ramadan in der Höhle des Berges Hara, indem er durch Fasten, Gebet und stilles Nachdenken die Gedanken zur Betrachtung der göttlichen Wahrheit zu erheben sich bemühte. Es war in der Nacht, welche von den Arabern Al Kader, d.i. der göttliche Rathschluß, genannt wird; eine Nacht, in welcher nach dem Koran Engel auf die Erde niedersteigen, und Gabriel die Rathschlüsse Gottes herabbringt. Während dieser Nacht ist Friede auf der Erde, und eine heilige Ruhe beherrscht die ganze Natur bis zum Anbruche des Morgens.
Als Mohammed, um die Nacht schweigend zu durchwachen, in den Mantel gehüllt dort lag, hörte er eine ihn rufende Stimme; er entblößte sein Haupt, und ihn überströmte eine Lichtfluth von so unerträglichem Glanze, daß er in Ohnmacht fiel. Bei Wiedergewinnung des Bewußtseins sahe er einen Engel in menschlicher Gestalt, welcher sich aus einer Entfernung nähernd ein mit Schriftzügen bedecktes Stück Seidenzeug entfaltete. »Lies!« sagte der Engel.
»Ich kann nicht lesen!« erwiderte Mohammed.
»Lies!« wiederholte der Engel, »in dem Namen des Herrn, welcher alle Dinge geschaffen hat, welcher den Menschen aus einem Blutklumpen erschuf. Lies im Namen des Allerhöchsten, welcher dem Menschen den Gebrauch der Feder lehrte, welcher in dessen Seele den Strahl der Erkenntniß fallen läßt und ihn lehrt, was er zuvor nicht wußte.«
Hierauf fühlte Mohammed sogleich die Erleuchtung seines Verstandes durch himmlisches Licht und las, was auf dem Seidenstoffe geschrieben stand; er enthielt die Rathschlüsse Gottes, die er nachher im Koran bekannt machte. Als er die Durchlesung beendigt hatte, rief der himmlische Bote: »O Mohammed, du bist in Wahrheit der Prophet Gottes und ich bin sein Engel Gabriel.«
Mohammed kam, wie uns erzählt wird, zitternd und erschüttert des Morgens zu Khadidschah, ohne zu wissen, ob das, was er gehört und gesehen hatte, wirklich in Wahrheit beruhte, sowie daß er ein Prophet wäre, berufen zur Ausführung der Reform, welche so lange der Gegenstand seines Nachdenkens gewesen war, oder ob es nicht eine bloße Vision, eine Täuschung der Sinne, oder etwas Schlimmeres als Alles, nämlich die Erscheinung eines bösen Geistes gewesen sein könnte.
Khadidschah jedoch sah jede Sache mit dem Auge des Glaubens an, mit dem Vertrauen eines liebenden Weibes. Sie erkannte in dem Vorgange die Erfüllung der Wünsche ihres Gatten, und das Ende seiner Verzückungen und Entbehrungen. »Erfreuliche Nachrichten bringst du!« rief sie aus. »Bei dem, in dessen Hand Khadidschahs Seele ist, ich will dich von nun an als den Propheten unsers Volkes betrachten. Freue dich,« fügte sie hinzu, als sie ihn noch am Boden liegen sah, »Allah will nicht dulden,
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