Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)
Bevölkerung in den Städten. Die arabischen Wüsten zumal, reich, wie wir gezeigt haben, an phantastischem Aberglauben, hatten seiner schwärmerischen Grübelei Nahrung geliefert. Auch hatte er seit seiner Verehelichung mit Khadidschah ein häusliches Orakel, welches auf seine religiösen Ansichten einwirkte. Das war seiner Gattin Vetter Waraka, ein Mann nachdenkenden Geistes und biegsamen Glaubens; ursprünglich ein Jude, hernach ein Christ, und bei dem Allen ein Freund der Sterndeuterei. Er ist merkwürdig, weil er geschichtlich der Erste ist, welcher Theile des Alten und Neuen Testaments ins Arabische übersetzte. Von diesem hat Mohammed, wie vermuthet wird, Vieles von seiner, jene Schriften betreffenden Kenntniß und viele von den Ueberlieferungen der Mischna und des Talmud entnommen, auf welche er so häufig in dem Koran hinweist.
Diese so verschiedenartig erworbene und in einem ungemein treuen Gedächtnisse aufbewahrte Kenntniß stand in geradem Widerspruche mit dem groben Götzendienste, welcher in Arabien die Oberhand hatte und bei der Kaaba getrieben wurde. Dieses heilige Gebäude war mit Götterbildern, deren Zahl sich auf dreihundert und sechzig belief, so daß auf jeden Tag des arabischen Jahres Einer kam, allmälig angefüllt und umgeben worden. Hieher hatte man die Götzen aus verschiedenen Gegenden, die Götter anderer Nationen gebracht, unter denen der oberste, Hobal, aus Syrien stammte und angeblich die Macht hatte, Regen zu geben. Unter diesen Bildsäulen waren außerdem Abraham und Ismael, die ehemals als Propheten und Stammväter verehrt, jetzt mit den weissagenden Pfeilen, den Sinnbildern der Zauberei, in ihren Händen dargestellt wurden.
Mohammed wurde sich der Grobheit und Sinnlosigkeit dieser Abgötterei mehr und mehr in dem Verhältnisse bewußt, als sie sein denkender Geist mit den geistigen Religionen verglich, welche die Gegenstände seiner Forschungen gewesen waren. Verschiedene Stellen im Koran zeigen die herrschende Idee, welche allmälig in seinem Gemüthe aufkeimte, bis sie alle seine Gedanken befruchtete und auf alle seine Handlungen einwirkte. Diese Idee war eine religiöse Reform. Es war sein fester, aus Allem, was er gelernt und gedacht hatte, hervorgegangener Glaube geworden, daß dem Adam bei seiner Erschaffung die allein wahre Religion geoffenbart und in den Tagen der Unschuld bekannt gemacht und ausgeübt worden wäre. Diese Religion dränge auf die unmittelbare und geistige Verehrung Eines wahren und alleinigen Gottes, des Schöpfers des Weltalls.
Es war ferner seine Ueberzeugung, daß diese so erhabene und einfache Religion von den Menschen wiederholt verdorben und verfälscht, und vorzüglich durch Götzendienerei entstellt worden wäre; deshalb wäre eine Reihe Propheten, jeder von ihnen durch eine Offenbarung des Allerhöchsten erleuchtet, von Zeit zu Zeit und in weit von einander entfernten Zeiträumen gesendet worden, um dieselbe zu ihrer ursprünglichen Reinheit zurückzuführen. Ein solcher wäre Noah, ein solcher wäre Abraham, ein solcher wäre Moses, ein solcher wäre Jesus Christus. Durch Jeden von diesen wäre die wahre Religion auf der Erde hergestellt, aber von ihren Nachfolgern wieder verdorben worden. Der Glaube, wie ihn Abraham bei dem Auszuge aus Chaldäa lehrte und übte, scheint vorzüglich ein religiöses Musterbild in seinem Geiste geschaffen zu haben, zufolge seiner Ehrfurcht vor diesem Patriarchen als dem Vater Ismaels, des Ahnherrns seines Geschlechtes.
Die Zeit zu einer andern Reform schien Mohammed wieder herbeigekommen zu sein. Die Welt war noch einmal in blinde Abgötterei gefallen. Es war die Ankunft eines andern Propheten nöthig, welchen ein Auftrag aus der Höhe ermächtigte, die irrenden Menschenkinder auf den rechten Pfad zurückzuführen und den Gottesdienst der Kaaba wieder auf den Punkt zu erheben, auf welchem er in den Tagen Abrahams und der Patriarchen sich befunden hatte. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Ankunft mit den sie begleitenden Reformen scheint von seinem Geiste Besitz genommen und die mit dem Geräusche der Welt unverträgliche Gewohnheit, nachzusinnen und in tiefe Betrachtungen sich zu versenken, erzeugt zu haben. Es wird uns erzählt, daß er sich allmälig aus der Gesellschaft zurückzog und in einer Höhle des Berges Hara, ungefähr drei Stunden nördlich von Mekka, die Einsamkeit suchte, wo er im Wetteifer mit den christlichen Einsiedlern der Wüste, dem Gebet und Nachdenken hingegeben, Tage und Nächte
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