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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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den Vorsatz aushebeln. Oder sie haben einfach keinen Bock mehr. Ist das nicht toll?« Jims Stimme war laut und froh.
    »Ja. Ja, das ist toll.«
    »Susan hofft, dass er postwendend heimkommt, aber ich glaube, danach ist ihm gar nicht. Dem gefällt’s da drüben bei seinem Vater. Gut, bis sein Bagatelldelikt verhandelt wird, sollte er sich schon nach Shirley Falls zurückbequemen – im Moment kann Charlie das noch rauszögern. Ein guter Mann, Charlie. Ein Spitzenmann. Goofy, bist du noch dran?«
    »Ja.«
    »Du sagst ja gar nichts.«
    Bob ließ den Blick durch sein Wohnzimmer wandern. Seine Couch sah klein aus. Der Teppich vor der Couch sah klein aus. Dass Jim so unbefangen reden konnte, als hätte sich zwischen ihnen nichts verändert – es verwirrte Bob. »Jim. Du – du hast mich ziemlich aus dem Gleichgewicht gebracht. Mit dieser Geschichte neulich. Ich weiß immer noch nicht, ob das Ernst sein sollte oder nicht.«
    »Ach, Bob.« In einem Ton, als wäre Bob ein kleines Kind. »Jetzt ruf ich mit so guten Nachrichten an. Verderben wir uns doch die Freude nicht mit den alten Kamellen.«
    »Alte Kamellen? Diese alten Kamellen sind mein Leben.«
    »Mensch, Bobby.«
    »Hör mal, Jim, ich sage ja nur, dass es mir lieber wäre, du hättest mich damit verschont, wenn es nicht mal stimmt. Warum machst du so etwas?«
    »Bob. Himmelarsch.«
    Bob legte auf. Jim rief nicht noch einmal an.
    Ein Monat verging ohne Kontakt zwischen den Brüdern. Dann, an einem sonnigen, windigen Tag, als Abfallreste die Gehsteige entlangfegten und die Leute ihre Mäntel eng an den Körper rafften, überkam Bob bei der Rückkehr aus seiner Mittagspause plötzlich Erleichterung bei einem Gedanken, der zwar nicht neu war, ihm aber erst jetzt den Kern zu treffen schien. Er rief Jim in seiner Kanzlei an. »Du bist der Ältere, aber das heißt nicht, dass du dich besser erinnern kannst, Jim. Es heißt nicht, dass du recht hast. Wenn man als Strafanwalt etwas lernt, dann, wie oft die Erinnerung trügt.«
    Jim seufzte laut. »Hätte ich bloß das Maul gehalten.«
    »Hast du aber nicht.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Aber du könntest dich irren . Ich meine, du musst dich irren. Mom wusste doch auch, dass ich es war.«
    Schweigen. Dann, gedämpft: »Ich irre mich nicht, Bob. Und Mom dachte, dass du es warst, weil ich es so hingedreht habe. Das habe ich dir doch alles erklärt.«
    Ein Schauder durchlief Bob, in seinem Magen zog sich etwas zusammen.
    Jim sagte: »Ich hab nachgedacht. Vielleicht brauchst du Hilfe. Als du nach New York kamst, hattest du doch diese Therapeutin, Elaine. Du mochtest sie. Sie hat dir geholfen.«
    »Mit meiner Vergangenheit, ja.«
    »So jemanden solltest du dir wieder suchen. Jemanden, der dir jetzt helfen kann.«
    »Und du?«, fragte Bob. »Wen suchst du dir? Du warst ein Häuflein Elend da oben. Brauchst du vielleicht keine Hilfe mit deiner Vergangenheit?«
    »Nein. Nein, offengestanden nicht, Bob. Die Vergangenheit ist vorbei. Daran ändern wir nichts mehr. Es ist, wie’s ist … Und ganz ehrlich, Bobby, das soll jetzt nicht kaltschnäuzig klingen, aber ist es wirklich so wichtig, wie es passiert ist? Das hast du selber gesagt. Wir sind nun mal an diesem Punkt angekommen, und jetzt machen wir irgendwie weiter.«
    Bob antwortete nicht.
    »Helen fragt nach dir«, sagte Jim schließlich. »Du solltest dich mal wieder blicken lassen.«
    Bob ließ sich nicht blicken. Ohne Jim etwas davon zu sagen, packte er seine Siebensachen und zog in eine Wohnung an der Upper West Side.
    Ein Unbehagen folgte Helen, als ginge ein Schatten hinter ihr her, und wenn Helen stehen blieb, wartete der Schatten einfach. Der einzige Grund, den sie dafür fand – und sie grübelte oft darüber nach – , war, dass Zach seine Mutter verlassen hatte. Warum sie das so belastete oder, präziser, warum es Jim so belastete, begriff sie nicht. »Es ist doch schön, dass er bei seinem Vater ist, findest du nicht?«
    »Natürlich«, sagte Jim. »Jeder sollte einen Vater haben.« Der Ton, in dem er es sagte, war ungut.
    »Und diese Anklage gegen ihn ist fallengelassen worden. Du müsstest doch überglücklich sein.«
    »Wer ist hier nicht glücklich, Helen?«
    »Wo steckt eigentlich Bobby in letzter Zeit?«, fragte Helen. »Ich habe ihn im Büro angerufen, und er hat auf diese typische Art rumgedruckst und gesagt, er hätte viel um die Ohren.«
    »Er weint irgend so einer Tussi nach.«
    »Das hat ihn bisher auch nie davon abgehalten, zu uns zu kommen.« Und Helen fügte

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