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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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als die Tatsache, dass er selten trank und nur eine Zigarette pro Tag rauchte – brachte ihm das Ausmaß seiner Veränderung zu Bewusstsein. Er hätte nicht sagen können, warum er seinen Mantel aufhängte, warum er das Geschirr wegräumte oder seine Socken in den Wäschekorb warf. Aber er verstand jetzt, warum er Pam mit seinem früheren Verhalten auf die Palme gebracht hatte – er sah die Dinge jetzt anders. Doch Pam war aus seinem Leben verschwunden. Zusammen mit Jim, so kam es ihm vor. Die beiden schienen in einen jener Winkel verräumt, in die die Seele dunkle, ungute Dinge wegzupacken weiß – und da kein Übermaß an Wein Bobs Gedanken auf Wanderschaft schickte, blieben sie vorerst auch dort.
    Einmal die Woche rief er Susan an. Sie erzählte immer gleich als Erstes, was Zach machte (sie skypten, und er konnte ein paar Brocken Schwedisch). Sie fürchte, sagte sie Bob, dass Zachs neue Fröhlichkeit ein Beweis für ihre Unzulänglichkeit als Mutter sei, denn bei ihr habe er nie so fröhlich gewirkt, aber Hauptsache, sagte sie, er war in so guter Verfassung, wie es den Anschein hatte. Bob ging auf jede ihrer Sorgen ein, merkte dabei aber deutlich, dass ihr Ton alles andere als depressiv klang. Sie gehörte einem Strickkränzchen an – Brenda O’Hare, Gerrys Frau, sei wirklich unheimlich nett – , und sie und Mrs. Drinkwater aßen jetzt immer gemeinsam zu Abend; ob Bob meine, dass sie die Miete herabsetzen sollte? Nein, riet er ihr, schließlich hatte sie sie jahrelang nicht erhöht. Einmal war ihr Rick Huddleston vom Büro gegen Rassendiffamierung über den Weg gelaufen, im Lebensmittelladen war das, und er hatte sie angestarrt wie den Leibhaftigen. Sein Problem, sagte Bob. Das zeigt nur, dass er ein Arschloch ist. Das hab ich mir auch gedacht, sagte Susan. (Sie waren wie Bruder und Schwester. Sie waren wie Zwillinge.) Nur ein einziges Mal fragte sie, ob er etwas von Jim wisse; sie habe ihn anzurufen versucht, aber nichts von ihm gehört. Denk dir nichts, sagte Bob, bei mir meldet er sich auch nicht.
    Wally Packer war wieder in Haft. Diesmal wegen unerlaubten Waffenbesitzes, aber er hatte sich der Festnahme widersetzt und einen Polizeibeamten bedroht, was eine Gefängnisstrafe wahrscheinlicher machte. Die Zwillinge unterhielten sich darüber; richtig überraschend komme es irgendwie nicht, sagte Susan mit Resignation in der Stimme, und Bob gab ihr recht. Jims Name fiel nicht bei diesem Gespräch, und ein Hauch von Freiheit wehte Bob an, als er sich klarmachte, dass er nun mit Jim nicht über Wally Packer (oder über sonst etwas) reden, sich nicht von ihm über den Mund fahren lassen musste.
    Nichts hatte ihn darauf vorbereitet, dass er so etwas empfinden könnte.
    Mitte Oktober wurde es plötzlich sehr warm in New York. Die Sonne strahlte vom Himmel wie im Sommer, und die Straßencafés füllten sich. Auf Bobs Weg zur Arbeit saßen die Leute mit ihrem Kaffee und ihrer Zeitung im Freien, und als jemand seinen Namen rief, dachte er sich erst nichts dabei. Aber es war Pam, die aufsprang und beinahe einen Stuhl an einem der Tische umgestoßen hätte. »Bob! Warte! Ach, Scheiße.« Sie hatte ihren Kaffee verschüttet. Er drehte sich um.
    »Pam. Was machst du hier?«
    »Neuer Therapeut. Ich komme gerade von ihm. Bitte, kann ich ein Stück mit dir mitgehen?« Sie knallte ein paar Dollarscheine auf den Tisch, beschwerte sie mit ihrer tropfenden Tasse und drängelte sich zu ihm durch.
    »Ich bin auf dem Weg ins Büro.«
    »Das weiß ich, Bobby. Aber ich hab grade im Moment an dich gedacht. Dieser Therapeut ist richtig gut. Er sagt, wir zwei haben noch ein paar offene Rechnungen.«
    Bob blieb stehen. »Seit wann glaubst du an Therapien?«
    Pam sah dünn und bekümmert aus. »Weiß auch nicht. Ich dachte, probieren kann ich’s ja mal. Ich fühle mich so ein bisschen aus der Bahn geworfen. Du bist komplett auf Tauchstation … Hey, das muss ich dir erzählen.« Sie fasste ihn am Arm. »Vor diesem Therapeuten jetzt, der ziemlich gut ist, war ich bei einer Frau, und sie sagte statt Shirley Falls immer ›Shelly Falls‹, bis ich sie schließlich gefragt habe: Warum können Sie es nicht einmal richtig sagen? Worauf sie meinte: Oh, Pamela, ein kleiner Fehler, tut mir leid. Und ich darauf: Na, für die Leute in Shirley Falls ist es vielleicht kein ganz so kleiner Fehler. Wie fänden Sie’s denn, wenn ich sagen würde, ach sooo, in der Flatbush Avenue ist Ihre Praxis, hab ich doch glatt mit der Park Avenue verwechselt,

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