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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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Onkel Bob, uns geht’s beschissen, Moment, ich ruf gleich zurück, und dann zurückrief und sagte: Ja, Mom ist daheim, sie sagt, du kannst vorbeikommen, aber sie haben sich getrennt, Onkel Bob, mein Vater hatte eine Affäre mit irgendeiner Frau in seiner Kanzlei. Und dann verfiel Bob in Laufschritt, und außer Atem bog er in die Straße ein, in der sein Bruder wohnte.
    Bob spürte die Veränderung gleich, als er ins Haus trat, aber er brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass es nicht einfach nur ein allgemeines Gefühl von Verlust war; Gegenstände fehlten. Die Mäntel zum Beispiel, die immer in der Diele gehangen hatten. Nur eine kurze schwarze Jacke von Helen hing noch da. Und aus den Wohnzimmerregalen war mehr als die Hälfte der Bücher verschwunden. Der große Flachbildfernseher war weg.
    »Helen, hat er sein ganzes Zeug mitgenommen?«
    »Nur die Sachen, die er anhatte, als er durch die Tür hier kam und mir das von dieser Kanzleinutte eröffnet hat. Alles andere habe ich weggeworfen.«
    »Du hast seine Kleider weggeworfen? Seine Bücher?« Er spähte zu seiner Schwägerin hinüber. Ihr Haar war nach hinten gebunden, und die kürzeren Strähnen über ihren Ohren waren grau. Ihr Gesicht wirkte nackt, als hätte sie ihre Brille nicht auf, dabei trug Helen gar keine Brille, außer auf der Nasenspitze, wenn sie las.
    »Ja. Ich habe diesen großen Fernseher rausgeschmissen, weil er den so gern mochte. Ich habe den alten aus dem Keller raufgeholt. Hier im Haus ist nichts mehr, was mit ihm zu tun hatte.«
    »Puh«, sagte Bob langsam.
    »Puh?« Helen, die auf der Couch Platz nahm, wandte ihm das Gesicht zu. »Keine Schuldzuweisungen, Bob.«
    »Gott bewahre.« Er hob beide Hände. Der Schaukelstuhl war weg. Er setzte sich auf einen alten Ledersessel, an den er sich von früher nicht erinnerte.
    Helen schlug die Knöchel übereinander. Sie kam ihm sehr klein vor. Ihre Schuhe hatten schwarze Schleifchen, wie Gymnastikschuhe. Sie trug keinen Schmuck, bemerkte er, keine Ringe, nichts. Sie bot ihm nichts zu trinken an, und er bat um nichts. »Wie geht es dir, Helen?«, fragte er vorsichtig.
    »Darauf antworte ich nicht mal.«
    Er nickte. »Versteh ich. Ähm – kann ich dir irgendwie helfen?«
    »Wahrscheinlich denkst du, weil du selber geschieden bist, weißt du, wie mir zumute ist, aber du hast keine Ahnung.« Sie sagte es ohne Schroffheit.
    »Nein, Helen, nein. Das ist mir klar.«
    Sie saßen da. Helen fragte, ob es ihm etwas ausmachen würde, die Läden herunterzulassen. Sie habe sie vorhin hochgezogen, aber irgendwie fühle sie sich mit geschlossenen Läden wohler.
    Bob stand auf und ließ sie herunter, dann setzte er sich wieder. Er knipste eine Lampe bei seinem Stuhl an. »Wo ist er?«
    »Er unterrichtet an so einem kleinen Elitecollege. Irgendwo Upstate. Wo genau, weiß ich nicht, und es ist mir ehrlich gesagt gleichgültig. Aber wenn er da eine Studentin flachlegt, ist er den Job auch los.«
    »So dumm ist Jimmy nicht«, sagte Bob.
    »Sag mal, haben sie dir« – und hier beugte Helen sich vor und zischte – » ins Hirn geschissen ?«
    Aus Helens Mund klang der Ausdruck beinahe komisch.
    »Kapierst du’s nicht?«, fragte sie, Tränen in den Augen. »Er ist. Nicht der. Für den ich ihn. Gehalten habe.« Bob wollte etwas antworten, aber Helen redete weiter, immer noch zu ihm vorgebeugt. »Weißt du, wer sie war? Dieses Flittchen in seinem Büro? Das war die Kleine, die unter dir gewohnt hat, die ihren Mann rausgeschmissen hat. Sie hat gesagt, du hättest ihr geraten, sich bei Jim auf diese schwachsinnige, schwachsinnige Stelle zu bewerben.«
    »Adriana? Adriana Martic? Soll das ein Witz sein?«
    »Ein Witz?« Helens Ton wurde ruhiger, sie setzte sich wieder normal hin. »Schön wär’s. Nein, Bob, das ist kein Witz, leider. Aber warum hast du sie zu Jim geschickt, Bobby? Warum machst du so was?« Sie sah Bob mit solcher Ratlosigkeit im Blick an, dass er schon zu einem »Helen … « ansetzte. Aber sie sagte: »Erkennst du denn eine Nutte nicht, wenn du eine siehst? Nein, offenbar nicht. Ich fand ja auch immer, dass Pam etwas leicht Nuttiges hat. Du merkst das nicht, Bob. Wie auch, du bist ja keine Frau. Aber als Ehefrau ein Heim schön zu gestalten, Kinder großzuziehen, sich fit zu halten – das macht man nicht so nebenbei. Und dann sucht sich der Mann irgend so eine Witzblatt-Lolita, die ihn wahrscheinlich an seine Highschool-Zeit erinnert, was weiß ich. Aber es tut weh, Bob, du hast keine Ahnung, wie

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