Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)
gemacht?«, fragte sie ihn.
Er saß ganz vorn auf der Lederottomane, die Lippen fast weiß. »Nichts.«
»Das kann nicht sein, Jim. Irgendwas muss ich gemacht haben, das du mir nie gesagt hast.«
»Nein, nein, Hellie.«
»Bitte versuch es mir zu erklären.« Sie sagte es mit einer vernünftigen Stimme, die sie beide irreführte.
Er sah sie nicht an. Aber er begann stockend zu reden. Er sagte, der Besuch in Maine, um Zach zu helfen, was ihm ja gründlich misslungen sei und Bob gleich mit, habe ihn irgendwie furchtbar zornig gemacht, böse, ein Gefühl, als würde aus einem gebrochenen Rohr rostiges Wasser durch ihn hindurchströmen.
»Das verstehe ich nicht«, sagte sie wahrheitsgemäß.
Er verstehe es ja selbst nicht, sagte er. Aber am liebsten hätte er einfach abhauen und nie wieder zurückkommen wollen. Sehen zu müssen, was für ein hoffnungsloser Fall Zach war, und dazu noch Bob mit seinem leeren Leben …
»Bob mit seinem leeren Leben?« Helen kreischte es fast. »Wegen Bob und seinem leeren Leben fängst du eine schmierige kleine Affäre mit einer Angestellten an? Und wieso soll Bobs Leben leer sein? Was redest du da überhaupt?«
Seine kleinen, furchtsamen Augen sahen sie an. »Ich weiß es nicht, Helen. Ich war immer für alle verantwortlich. Von klein auf schon. Das war meine Aufgabe. Und dann bin ich nach Moms Tod einfach weggegangen und war nicht für Susan und Zach da, als Steve sie verlassen hat, und Bob … «
»Stopp. Stopp. Du warst immer für alle verantwortlich? Wo bleiben die Streicher, Jim? Was noch Abgedroscheneres fällt dir nicht ein? Denkst du, ich kenne das nicht in- und auswendig? Im Ernst, Jim, ganz im Ernst, ich finde es unglaublich, dass du mir in so einem Moment damit kommst.«
Er nickte, die Lider gesenkt.
»Aber rede weiter«, sagte sie schließlich. Etwas anderes fiel ihr nicht ein.
Er sah im Zimmer umher, dann wieder zu ihr. »Die Kinder sind alle weg.« Er streckte den Arm aus und schwenkte ihn durch die Luft, wie um die Leere im Haus sichtbar zu machen. »Es hat sich alles so – so grässlich angefühlt. Und bei Adri war ich plötzlich wieder wichtig.«
Und so schluchzte Helen endlich doch los, mit langen, krampfhaften Wimmer- und Würgelauten, und Jim kam und berührte sie zaghaft am Arm. Zwischendurch schrie sie Worte oder halbe Sätze heraus, nicht Bobs Leben sei leer, sondern Jims, und auch Helen habe getrauert, als die Kinder ausgezogen waren, ohne dass Jim sie in irgendeiner Weise getröstet hätte, aber niemals wäre sie deshalb auf die Idee gekommen, mit irgendwem ins Bett zu gehen, nur um sich wichtig zu fühlen , er habe alles kaputtgemacht, ob er denn nicht einmal das begreife? Er rieb ihren Arm und sagte, doch.
Und nie – nie – wieder solle er es wagen, den Namen dieses widerlichen Weibstücks in den Mund zu nehmen. Ihren Namen hier im Haus auszusprechen! Sie hatte keine Kinder, oder? Nein, so eine doch nicht! Eine Urinpfütze am Boden war so eine, nichts weiter! Und Jim sagte, Helen habe völlig recht, er würde den Namen nie wieder aussprechen, er habe nicht vor, ihn je wieder zu sagen, weder hier noch sonst wo.
Sie schliefen aneinandergedrängt ein, in ihren Nachtsachen, voller Angst.
Helen erwachte früh, es war noch nicht hell, das Licht grünlich. Ihr Mann lag nicht mehr neben ihr. »Jim?« Er saß auf dem Stuhl am Fenster, und er drehte sich um und sah sie an und sagte nichts. Sie flüsterte: »Jimmy, ist das wirklich alles passiert?« Er nickte. Unter seinen Augen waren dunkle Flecken.
Sie setzte sich auf und sah sich noch im selben Moment nach ihren Kleidern um. Sie lief ins Ankleidezimmer und zog die Sachen vom Vortag an, dann riss sie sich wieder vom Leib – sie würde sie wegschmeißen – und zog andere an. Wieder im Schlafzimmer, sagte sie: »Du musst es den Kindern sagen«, und Jim schaute waidwund und nickte. Sofort sagte sie: »Ich sage es ihnen«, weil sie nicht wollte, dass sie sich ängstigten, aber natürlich würde es sie schrecklich ängstigen, sie hatte ja selbst Angst wie nie zuvor.
Er sagte: »Bitte geh nicht.«
Sie sagte: »Ich gehe nicht. Du bist gegangen.« Aus dem Bett aufgestanden, meinte sie, von ihr weggegangen, während sie schlief. Aber sie sagte: »Verschwinde.«
Sie wollte nicht, dass er ging, nur wollte etwas in ihr es offenbar doch, denn sie wiederholte in einer Tour, auch noch, als er schon Sachen in einen Koffer zu packen begann: »Verschwinde! Ich will dich nicht mehr hier haben.« Sie konnte nicht
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