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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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als sie mit dem Greyhound nach Boston gefahren waren, Pam wie ein wandelndes Fragezeichen in ihrem Wickelrock.
    Eine Million Jahre schien das her.
    »In der Gegenwart bleiben«, würde Elaine mahnen, und so war er nun auf dem Weg zu der ungeliebten Susan. Familie ist Familie, und er sehnte Jimmy herbei. Bob war wieder der alte Bob.
    Sie saßen auf einer Betonbank im Vorraum des Polizeireviers. Gerry O’Hare hatte Bob zugenickt, als hätten sie sich gestern zum letzten Mal gesehen – dabei waren es Jahre – , und Zach dann durch eine Tür in einen Vernehmungsraum geführt. Ein Beamter brachte Bob und Susan zwei Pappbecher mit Kaffee; sie bedankten sich und umfassten die Becher zaghaft. »Hat Zach irgendwelche Freunde?«, fragte Bob, als sie allein waren. Er sprach leise. Seit über fünf Jahren war er nicht mehr in Shirley Falls gewesen, und der Anblick seines Neffen – so lang und dünn, das Gesicht leer vor Angst – hatte ihn erschreckt. Wie auch der Anblick seiner Schwester. Sie war mager, ihr kurzes welliges Haar fast völlig grau; sie sah frappierend unweiblich aus. Ihre unscheinbaren Züge wirkten so viel älter, als er erwartet hatte, dass er kaum glauben konnte, dass sie Zwillinge waren. Zwillinge!
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Susan. »Er räumt bei Walmart Regale ein. Manchmal – aber nur ganz selten – fährt er rüber nach West Annett und trifft sich mit einem Kumpel aus der Arbeit. Aber er bringt nie wen mit nach Hause.« Sie fügte hinzu: »Ich dachte, sie würden dich mit ihm reingehen lassen.«
    »Ich bin in Maine nicht zugelassen, Susan. Das hatten wir doch schon.« Bob sah über die Schulter. »Wann haben die das hier gebaut?« Das alte Polizeirevier war im Rathaus von Shirley Falls untergebracht gewesen, einem großen, weitläufigen Bau am anderen Ende des Parks, und Bob hatte die Atmosphäre als offen in Erinnerung: Man kam herein und sah die Polizeibeamten schon hinter ihren Schreibtischen sitzen. Davon konnte hier keine Rede sein. Hier gab es einen kleinen Vorraum mit zwei verdunkelten Schaltern, und sie hatten einen Klingelknopf drücken müssen, bevor überhaupt jemand dahinter erschien. Bob fühlte sich vom bloßen Dasitzen schuldig.
    »Vor fünf Jahren vielleicht«, sagte Susan vage. »Keine Ahnung.«
    »Wozu brauchen sie ein neues Polizeirevier? Der Staat Maine verliert an Bevölkerung, er wird täglich ärmer, und was macht er? Neue Schulen und Amtsgebäude bauen.«
    »Bob. Verschon mich. Dafür hab ich jetzt wirklich keinen Nerv. Für deine Betrachtungen über Maine. Außerdem wächst in Shirley Falls die Einwohnerzahl, wegen der« – Susans Stimme senkte sich zu einem Flüstern – » du weißt schon .«
    Bob trank seinen Kaffee. Er schmeckte miserabel, aber Bob nahm es nicht so genau mit seinem Kaffee – oder seinem Wein – , wie das heutzutage so viele taten. »Du sagst ihnen, dass es nur als blöder Gag gemeint war«, hatte er Zachary mit auf den Weg gegeben, »und dass du am Montag einen Anwalt haben wirst. Und mehr musst du nicht sagen, ganz egal, was.« Zachary, so viel größer, als Bob ihn von früher im Gedächtnis hatte, so mager, so verängstigt aussehend, hatte ihn nur angestarrt.
    »Hast du irgendeine Vorstellung, warum er es gemacht haben könnte?« Bob versuchte möglichst behutsam zu klingen.
    »Keinen Schimmer.« Und kurz darauf sagte Susan: »Ich dachte, du könntest ihn das fragen.«
    Das erschreckte Bob. Er verstand nichts von Kindern. Manche seiner Freunde hatten Kinder, die er gern mochte, und Jims Kinder liebte er sehr, aber selbst keine Kinder zu haben schuf eine Kluft. Er wusste nicht, wie er Susan das erklären sollte. Er fragte: »Hat Zach Kontakt zu seinem Vater?«
    »E-Mail. Manchmal kommt Zach mir – na ja, nicht direkt glücklich vor, aber weniger unglücklich als sonst, und ich glaube, das hat mit dem zu tun, was Steve ihm schreibt, aber Zach redet mit mir nicht darüber. Steve und ich haben uns nicht mehr gesprochen, seit er weg ist.« Susans Wangen färbten sich rosa. »Und dann ist Zach wieder richtig deprimiert, und ich vermute, dass das auch mit Steve zu tun hat, aber ich weiß es nicht, Bob, okay?« Sie kniff sich in den Nasenrücken, schniefte vernehmlich.
    »He, ist ja gut.« Bob sah sich nach einer Papierserviette oder einem Kleenex um, fand aber nichts. »Welchen Spruch Jimmy jetzt machen würde, weißt du, oder? Beim Baseball wird nicht geweint.«
    »Was redest du da, Bobby?«, sagte Susan.
    »Dieser Film über Frauenbaseball.

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