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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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Eine Superszene.«
    Susan beugte sich vor und stellte ihren Kaffeebecher unter die Bank. »Für Baseballspieler vielleicht. Aber hier wird gerade mein Sohn verhaftet.«
    Eine Metalltür öffnete sich, fiel krachend zu. Ein Polizist trat in den Vorraum hinaus, klein und jung, das Gesicht von dunklen Muttermalen gepunktet. »So, hier sind wir fertig. Jetzt geht’s rüber ins Gefängnis. Sie können gleich hinterherfahren. Da wird er aufgenommen, die Kaution wird festgesetzt, und dann kriegen Sie ihn wieder mit nach Hause.«
    »Danke.« Die Zwillinge sagten es wie aus einem Mund.
    Draußen dämmerte es schon, die Stadt wirkte grau und düster in dem Zwielicht. Zachs Kopf war durch die Heckscheibe des Streifenwagens kaum zu erkennen. Sie näherten sich der Brücke, über die es zum Bezirksgefängnis ging. »Wo sind die ganzen Menschen?«, fragte Bob. »Samstagnachmittag, und die Stadt ist wie ausgestorben.«
    »Das ist sie schon seit Jahren.« Susan fuhr mit vorgebeugtem Oberkörper.
    Bob erhaschte einen Blick auf einen dunkelhäutigen Mann, der langsam eine Seitenstraße entlangschritt, die Hände in den Taschen seines offenen Mantels, der ihm zu groß zu sein schien. Unter dem Mantel trug er etwas Weißes, das bis zu seinen Füßen herabreichte. Auf seinem Kopf saß eine viereckige Stoffmütze. »Da!«, sagte Bob.
    »Was?« Susan sah ihn scharf an.
    »Ist das einer?«
    » Ist das einer! Du redest wie so ein Spastiker. Du bist doch der New Yorker – hast du noch nie einen Neger gesehen?«
    »Susan, entspann dich.«
    »Mich entspannen. Gut, dass du’s mir sagst.« Susan stieß in eine Parklücke in der Nähe des Polizeiautos, das auf einen großen Parkplatz hinter dem Gefängnis eingebogen war. Jetzt konnten sie erkennen, dass Zach Handschellen trug. Beim Aussteigen schien er kurz gegen den Wagen zu stolpern, dann führte der Beamte ihn zum Eingang.
    »Wir sind gleich hinter dir, Partner«, rief Bob aus seiner geöffneten Tür. »Wir geben dir Rückendeckung!«
    »Bob, hör auf«, sagte Susan.
    »Wir geben dir Rückendeckung«, rief er noch einmal.
    Wieder saßen sie in einem kleinen Vorraum. Nur einmal kam ein Mann in dunkelblauer Uniform zu ihnen heraus, um ihnen mitzuteilen, dass Zach die Fingerabdrücke abgenommen bekam und dass der Kautionsbeauftragte verständigt worden war. Es könne eine Weile dauern, bis er eintraf, sagte er. Wie lange? Schwer zu sagen. Und so saßen Bruder und Schwester da und warteten. Es gab einen Bankomaten und einen Verkaufsautomaten. Und wieder die verdunkelten Schalter.
    »Meinst du, die beobachten uns?«, flüsterte Susan.
    »Kann schon sein.«
    Sie behielten ihre Mäntel an und sahen geradeaus. Nach einer Weile flüsterte Bob: »Was macht Zach, wenn er keine Regale einräumt?«
    »Du meinst, ob er durch die Gegend fährt und Raubüberfälle verübt? Oder sich Kinderpornos aus dem Internet runterlädt? Nein, Bob. Er ist – Zach.«
    Bob zog seinen Mantel unter sich zurecht. »Glaubst du, er hat nähere Verbindungen zu irgendwelchen Rassisten? Skinheads, so was in der Art?«
    Susans Augen weiteten sich überrascht und wurden dann schmal. »Nein.« Und in verhaltenerem Ton setzte sie hinzu: »Ich glaube nicht, dass er zu irgendwem eine nähere Verbindung hat. Aber du siehst ihn falsch, Bob.«
    »Ich frag ja nur. Es wird schon nicht so schlimm werden. Möglich, dass er zu ein paar Stunden Sozialdienst verdonnert wird. Toleranzunterricht.«
    »Glaubst du, dass er immer noch Handschellen anhat? Das war furchtbar.«
    »Ich weiß«, sagte Bob, dem es Jahre her zu sein schien, dass sein Schnösel-Nachbar über die Straße abgeführt worden war. Selbst seine Unterhaltung mit Adriana heute Morgen kam ihm nun surreal vor, so weit war sie weggerückt. »Jetzt hat Zach sicher keine Handschellen an. Das ist reine Routine. Für die Fahrt hierher.«
    »Ein paar von den Geistlichen hier am Ort wollen eine Kundgebung veranstalten«, sagte Susan mit müder Stimme.
    »Eine Kundgebung? Wegen dieser Sache?« Bob rieb sich die Oberschenkel. »Oi«, sagte er.
    »Könntest du mit diesem ›oi‹ aufhören?«, wisperte Susan zornig. »Warum sagst du das?«
    »Weil ich seit zwanzig Jahren bei der Rechtshilfe arbeite, Susan, und bei der Rechtshilfe arbeiten viele Juden, und sie sagen ›oi‹, und jetzt sage ich auch ›oi‹.«
    »Es klingt affig bei dir. Du bist kein Jude, Bob. Du bist so weiß, wie’s nur geht.«
    »Stimmt«, gab Bob zu.
    Schweigend saßen sie da. Schließlich sagte Bob: »Wann soll diese

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