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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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den Teppich. Schließlich: »Wollte er, dass ich ihn zurückrufe, ja oder nein?«
    »Gesagt hat er’s nicht.«
    Jim wandte ihr das Gesicht zu. »Mehr muss ich gar nicht wissen.« Er stand auf und ging ins Bad. »Ich dusche jetzt, und es tut mir leid, dass du dich mit der muffeligen Dorothy rumärgern musst. Ich konnte Dorothy noch nie leiden.«
    »Machst du Witze?«, sagte Helen. »Warum fahren wir dann mit ihnen in die Ferien?«
    »Sie ist die Frau vom Geschäftsführer, Helen.« Die Badetür schloss sich, und gleich darauf hörte sie Wasser rauschen.
    Beim Abendessen saßen sie im Freien und sahen die Sonne über dem Wasser untergehen. Helen trug ihre weiße Leinenbluse mit der schwarzen Caprihose und dazu Ballerinas. Alan lächelte und sagte: »Ihr Mädels seht hinreißend aus heute Abend. Was habt ihr morgen vor?« Dabei rieb er Dorothy, die neben ihm saß, über den Arm. Seine Hand war sommersprossig. Auch sein nahezu kahler Kopf war mit Sommersprossen gesprenkelt.
    Helen sagte: »Wir dachten, wenn ihr morgen beim Golf seid, probieren wir mal das Frühstück im Lemon Drop aus.«
    »Sehr gut.« Alan nickte.
    Helen berührte ihren Ohrring und dachte: Eine Frau sein ist echt das Letzte. Dann dachte sie: Nein, ist es nicht. Sie nippte an ihrem Whiskey Sour. »Willst du mal von meinem Whiskey Sour kosten?«, fragte sie Jim.
    Jim schüttelte den Kopf. Er starrte vor sich auf die Tischplatte und schien weit weg zu sein.
    »Sind wir unter die Abstinenzler gegangen?«, fragte Dorothy ihn.
    »Jim trinkt so gut wie nie, ich dachte, das weißt du«, sagte Helen.
    »Bloß nicht die Kontrolle verlieren, was, Jim?«, bemerkte Dorothy, und eine nadeldünne Wut durchfuhr Helen. Aber Dorothy sagte: »Schaut mal, da«, und zeigte mit dem Finger. Ganz nah bei ihnen tauchte ein Kolibri seinen langen Schnabel in eine Blüte. »Wie goldig.« Dorothy beugte sich vor, die Hände auf die Armlehnen ihres Stuhls gestützt. Jim drückte unterm Tisch Helens Knie, und Helen spitzte die Lippen zu einem angedeuteten Kuss. Danach aßen die vier in aller Ruhe, mit friedlich klimperndem Besteck, und nach einem zweiten Whiskey Sour gab Helen sogar die Geschichte zum Besten, wie sie am Abend nach dem Wally-Packer-Prozess in einer Bowlingbahn auf dem Tisch getanzt hatte. Helen hatte einen Strike nach dem anderen geworfen – unglaublich. Und dann hatte sie zu viel Bier getrunken und auf dem Tisch getanzt.
    »Dass ich das verpasst habe!«, sagte Dorothy.
    Alan betrachtete Helen mit vagem Wohlwollen, eine Idee zu lang, fand sie. Dann beugte er sich herüber und berührte leicht ihre Hand. »Glücklicher Jim«, sagte er.
    »Aber hallo«, sagte Jim.

6
    Bob war der Tag endlos erschienen – ein einziges ödes Warten, dass Jim ihn zurückrief. Andere Leute hätten etwas unternommen. Das war Bob schon klar. Andere Leute wären einkaufen gegangen und hätten für Susan und Zach ein Abendessen gekocht. Oder sie wären das Stück bis zur Küste gefahren, um über die Wellen zu schauen. Oder auf einen Berg gestiegen. Aber Bob – von seinen Rauchpausen hinten auf der Veranda abgesehen – hatte im Wohnzimmer seiner Schwester gesessen, in Reader’s-Digest-Bänden geblättert und später in einer Frauenzeitschrift, die herumlag. Er hatte sein Lebtag noch keine Frauenzeitschrift in der Hand gehabt, und es deprimierte ihn, all die Tipps, wie man neuen Schwung in das eheliche Liebesleben brachte (überraschen Sie ihn mit frechen Dessous), Tipps, wie man am Arbeitsplatz abnahm, Übungen für schwabbelige Oberschenkel.
    Susan kam nach Hause und sagte: »Dass du noch hier bist. Nach deiner Heldentat mit der Morgenzeitung.«
    »Ich bin hergekommen, um euch zu helfen.« Bob legte die Zeitschrift weg.
    »Ich sag ja, ich hätte nicht gedacht, dass du noch hier bist.« Susan ließ den Hund hinaus und zog den Mantel aus.
    »Ich treffe mich morgen mit Charlie Tibbetts. Das weißt du.«
    »Er hat angerufen«, sagte Susan. »Er ist erst morgen Nachmittag wieder hier. Ihm ist irgendwas dazwischengekommen.«
    »Okay«, sagte Bob. »Dann sehe ich ihn eben am Nachmittag.«
    Als Zach zur Tür hereinkam, stand Bob auf. »Also, Zachary. Red ein bisschen mit deinem alten Onkel. Erzähl mir, wie dein Tag heute war.«
    Zach stand da, weiß im Gesicht, verschreckt. Mit der Stoppelfrisur wirkten seine Ohren unsagbar verletzlich, aber die kantigen Gesichtszüge waren die eines Erwachsenen. »Hmm. Später vielleicht.« Er verschwand in sein Zimmer, und wie gestern brachte Susan ihm sein

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