Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)
diese zweihundert Dollar verdienen, die ich für deine Kaution hinblättern durfte. Wird’s bald!« Bob hörte Zach etwas murmeln, dann fiel die Hintertür zu, und gleich darauf fuhr ein Auto weg.
Susan erschien, schleuderte ihm quer durchs Zimmer eine Zeitung hin. Sie landete auf dem Boden neben der Couch. »Gut gemacht«, sagte sie.
Bob sah hinunter. Die Titelseite schmückte ein großes Foto von Zach, der grinsend aus dem Gefängnis kam. K EIN W ITZ , lautete die Schlagzeile.
»Oi«, sagte Bob und kämpfte sich aus der Horizontalen.
»Ich muss los.« Susan rief es schon aus der Küche. Er hörte Schranktüren knallen. Und dann knallte die Hintertür, und er hörte sie wegfahren.
Er saß still, ließ nur den Blick wandern. Die heruntergelassenen Jalousien hatten die Farbe hartgekochter Eier. Die Tapete hatte mehr oder weniger die gleiche Farbe, nur mit einem Muster von langschnäbeligen fliegenden Vögeln darauf, die dünn und blau waren. Auf einem Holzschränkchen stand eine Reihe Reader’s-Digest-Bände. Die Armlehnen des Ohrensessels in der Ecke waren so durchgewetzt, dass Risse darin klafften. Nichts in dem Zimmer strahlte irgendeine Behaglichkeit aus, und entsprechend fühlte sich Bob.
Eine Bewegung auf der Treppe ließ ihn zusammenschrecken. Er sah die pinkfarbenen Frotteepantoffeln, dann die magere alte Frau selbst, die ihre riesige Brille auf ihn richtete. »Warum sitzen Sie da im Mantel?«, fragte sie.
»Mir ist kalt«, sagte Bob.
Mrs. Drinkwater stieg die restlichen Stufen herunter und blieb stehen, die Hand auf dem Geländer. Sie schaute im Zimmer umher. »In diesem Haus ist es immer kalt.«
Er zögerte, sagte dann: »Wenn Sie frieren, müssen Sie Susan das sagen.«
Die alte Dame ging hinüber zum Ohrensessel. Ihr knotiger Fingerknöchel schob die große Brille höher. »Ich möchte mich ungern beschweren. Susan hat nicht viel Geld, wissen Sie. Dieser Augenladen hat ihr seit Jahren nicht mehr das Gehalt erhöht. Und dann der Ölpreis … « Ihre Hand beschrieb eine Spirale über ihrem Kopf. »Man darf gar nicht dran denken.«
Bob hob die Zeitung vom Boden auf und legte sie neben sich auf die Couch. Zachs grinsendes Gesicht starrte ihn an, und er drehte die Zeitung um.
»Es kam auch in den Nachrichten«, sagte Mrs. Drinkwater.
Bob nickte. »Sie sind beide in der Arbeit«, sagte er ihr.
»Oh, das weiß ich. Ich wollte mir nur die Zeitung holen. Sie legt sie mir sonntags immer hin.«
Bob beugte sich vor und gab sie ihr, und die alte Frau blieb im Sessel sitzen, die Zeitung auf dem Schoß. Er sagte: »Ähm, sagen Sie, schreit Susan ihn eigentlich oft an?«
Mrs. Drinkwater sah durchs Zimmer, und Bob dachte schon, sie würde nicht antworten. »Früher. Als ich eingezogen bin.« Sie schlug die Beine übereinander und wippte mit dem Knöchel. Ihre Pantoffeln waren riesig. »Aber da war ihr natürlich auch gerade ihr Mann weggelaufen.« Mrs. Drinkwater schüttelte langsam den Kopf. »Was ich so mitgekriegt hab, hat der Junge nie etwas angestellt. Er ist einsam, nicht wahr?«
»Schon immer, soviel ich weiß. Mir kam er von klein auf so etwas, na ja, labil vor. Seelisch labil. Vielleicht auch einfach nur unreif. Keine Ahnung.«
»Wir stellen uns vor, unsere Kinder müssten so sein wie die im Sears-Katalog.« Mrs. Drinkwaters Fuß wippte heftiger. »Und dann sind sie’s nicht. Auch wenn ich sagen muss, dass Zach schon besonders einsam wirkt. Jedenfalls weint er.«
»Er weint?«
»Ich hör ihn manchmal in seinem Zimmer. Schon vor der Sache mit dem Schweinekopf. Nicht, dass ich tratschen will, aber Sie sind ja sein Onkel. Ich versuch mich möglichst nicht einzumischen.«
»Hört Susan ihn auch?«
»Das dürfen Sie mich nicht fragen.«
Der Hund kam zu ihm und steckte die lange Schnauze zwischen seine Beine. Er streichelte das raue Fell auf seinem Kopf und klopfte dann auf den Boden, damit er sich hinlegte. »Hat er irgendwelche Freunde?«
»Hier hab ich noch keine gesehen.«
»Susan sagt, er hat das mit dem Schweinekopf ganz allein gemacht.«
»Das kann schon sein.« Mrs. Drinkwater rückte an ihrer riesigen Brille. »Aber es gibt genug andere, die so was gern täten. Diese Leute, die Somalier, sind hier nicht allen willkommen. Ich persönlich hab ja nichts gegen sie. Aber dieses viele Zeug, das sie anhaben.« Mrs. Drinkwater spreizte die Hand vor dem Gesicht. »Grade mal, dass die Augen noch rausgucken.« Wieder ließ sie den Blick wandern. »Ich frag mich ja, ob das stimmt, was immer
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