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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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bedeckte, stand hinter dem Wagen und schrie etwas in einer Sprache, die er nicht verstand. Ihre Arme wedelten auf und ab, und dann schlug sie mit der flachen Hand auf Bobs Auto. Bob ging auf sie zu, und sie fuchtelte wild. All das schien Bob stumm und in Zeitlupe zu geschehen. Er sah, dass hinter der Frau eine zweite Frau stand, die genauso gekleidet war, nur dunkler, und er sah ihren Mund, der heftige Laute ausstieß, ihre langen gelben Zähne.
    »Ist Ihnen was passiert?« Bob schrie die Frage. Die Frauen schrien. Bob hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, und er presste die Hände auf den Brustkorb, damit sie verstanden. Und nun war auch die Kassiererin aus dem Laden da, fasste die erste Frau bei der Hand und redete in der fremden Sprache auf sie ein, und erst jetzt begriff Bob, dass die Kassiererin eine Somali war. Die Kassiererin drehte sich zu Bob um und sagte: »Sie wollten sie mit dem Auto überfahren. Sie sind verrückt, gehen Sie!«
    »Das stimmt nicht«, sagte Bob. »Hab ich sie erwischt?« Er rang nach Atem. »Das Krankenhaus ist … « Er zeigte in die Richtung.
    Die Frauen redeten untereinander, abgehackte, fremdartige Laute.
    Die Kassiererin sagte: »Kein Krankenhaus. Gehen Sie weg.«
    »Das darf ich nicht«, sagte Bob hilflos. »Ich muss zur Polizei und den Unfall melden.«
    Die Kassiererin hob die Stimme. »Warum Polizei? Sind das Freunde von Ihnen?«
    »Wenn ich die Frau angefahren habe … «
    »Nicht angefahren. Nur versucht. Gehen Sie weg.«
    »Aber das ist ein Unfall. Wie heißt sie?« Er beugte sich ins Auto, um etwas zum Schreiben zu suchen. Als er sich wieder aufrichtete, rannten die beiden Frauen mit den langen Gewändern und langen Kopftüchern schon die Straße entlang.
    Die Kassiererin war wieder in ihrem Laden. »Weg!«, schrie sie durch die Glastür.
    »Ich hab sie nicht gesehen.« Er hob die Schultern und breitete die Hände aus.
    Ein Riegel rastete ein. »Weg!«, hörte er noch einmal.
    Im Kriechtempo fuhr Bob zu Susan zurück. Oben rauschte noch die Dusche. Als Susan die Treppe herunterkam, war sie im Bademantel und frottierte sich die Haare. Er sah den Blick, mit dem sie ihn anstarrte. Seine Kehle war immer noch zugeschnürt, als er sagte: »Ähm, hör zu. Wir müssen Jim anrufen.«

7
    Helen saß auf der Terrasse ihres Hotelzimmers, eine Tasse Kaffee in der Hand. Von unten tönte das Plätschern des Springbrunnens; Geißblatt umrankte sämtliche Terrassen, die sie von ihrem Platz aus sehen konnte. Helen streckte ihre nackten Füße in einen Sonnenfleck und wackelte mit den Zehen. Das Frühstück im Lemon Drop fiel aus. Alan hatte angerufen: Helen solle nicht böse sein, aber Dorothy wolle sich heute Morgen lieber in ihrem Zimmer ausruhen. Helen war nicht böse. Sie ließ sich das Frühstück heraufbringen und aß ihr Obst und ihren Joghurt und ihr Brötchen mit einem ganz und gar ungetrübten Wohlgefühl. Jim spielte heute nur neun Löcher, er würde nicht lange fortbleiben. Dann konnten sie zusammen sein; Helen spürte ein schwaches, süßes Ziehen, wenn sie daran dachte.
    »Ganz herzlichen Dank«, sagte sie zu dem höflichen Mann, der auf ihr Klingeln erschien, um das Frühstückstablett abzuräumen. Sie nahm ihre Strohtasche und ging in die Hotelhalle hinunter, wo sie sich am Kiosk ein Magazin kaufte, eins von den Klatschblättern, mit denen sie sich früher zusammen mit ihren Mädchen aufs Sofa gekuschelt hatte, um die Kleider der Filmstars zu bewundern. »Mensch, das da wär’s«, hatte dann Emily etwa gesagt und auf eins gezeigt, und Margot hatte geseufzt: »Aber schau – das hier ist so was von cooool.« Und eine Frauenzeitschrift kaufte Helen sich auch noch, weil auf dem Cover ein Artikel über »Das schöne Leben nach den Kindern« angekündigt war. »Ganz herzlichen Dank«, sagte sie zu der Frau an der Kasse und wanderte zwischen blühenden Bäumen und Steingärten hindurch zum Strand hinunter, um sich die Sonne auf die Knöchel scheinen zu lassen.
    Einander in die Augen schauen, riet der Artikel, das sei ganz wichtig bei reiferen Beziehungen. Eine kesse E-Mail dann und wann. Komplimente. Schlechte Laune steckt an. Helen schloss die Augen hinter ihrer Sonnenbrille und ließ ihre Gedanken zurückwandern zu den Wally-Packer-Zeiten. Helen hatte das nie irgendwem gegenüber ausgesprochen, aber in diesen Monaten hatte sie verstanden, wie es sich anfühlen musste, die First Lady zu sein. Jederzeit konnte eine Kamera klicken. Jeder Blick, jede Geste floss

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