Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
Vom Netzwerk:
Montag nicht in die Schule lassen«, sagte Haweeya flüsternd und nieste dann. »Omad hat ihr gesagt, sie sind in der Schule so sicher wie überall sonst, und sie sagte: ›Sicher an einem Ort, wo sie getreten und geboxt werden, wenn der Lehrer nicht hinschaut?‹«
    Abdikarim nickte. Bei Ifo Noor war es heute auch um die Schule gegangen, darum, dass die Lehrer größere Wachsamkeit versprochen hatten, jetzt, wo der Schweinekopf in die Moschee gerollt war. »Alle machen sie Versprechungen«, sagte Abdikarim und stand auf. »Schlaf in Frieden«, fügte er hinzu. »Und tausch die Glühbirne aus.«
    »Morgen kaufe ich eine neue. Ich fahre zu Walmart.« Sie lächelte verschmitzt. »Hoffen wir, dass der wiil waal noch nicht wieder bei der Arbeit ist.« Ihre Ohrringe schwangen, als sie davonging.
    Abdikarim rieb sich die Stirn. Heute Abend bei Ifo Noor hatte sich Rabbi Goldman mit den Ältesten zusammengesetzt und ihnen ans Herz gelegt, sich auf die wahre Friedfertigkeit des Islam zu besinnen. Das war kränkend. Natürlich würden sie das tun. Rabbi Goldman sagte, viele Einwohner unterstützten sie in ihrem Recht, hier zu sein, und nach Ramadan wolle die Stadt das mit einer Kundgebung unter Beweis stellen. Die Ältesten wollten keine Kundgebung. Viele Menschen auf einem Fleck zu versammeln war nicht gut. Aber Rabbi Goldman mit seinem geräumigen Herzen sagte, es würde heilsam für die Stadt sein. Heilsam für die Stadt! Jedes Wort war wie ein Stockhieb, der ihnen aufs Neue einbläute, dass dies nicht ihr Dorf war, nicht ihre Stadt, nicht ihr Land.
    Abdikarim stand vom Bett auf und verengte zornig die Augen. Wo waren denn die Rabbi Goldmans von Amerika gewesen, als Abdikarims älteste Tochter mit ihren vier Kindern in Nashville aus dem Flugzeug gestiegen war, und keiner da, der sie in Empfang nahm, und die Treppen, die aufwärts und abwärts fuhren, hatten ihnen solche Angst gemacht, dass sie nur dastehen und sie anstarren konnten und von anderen Leuten ausgelacht und beiseitegerempelt wurden? Wo waren die Rabbi Goldmans von Amerika gewesen, als eine Nachbarin Aamuun einen Staubsauger gekauft hatte, den Aamuun nicht benutzte, weil sie nicht wusste, was das war, und die Nachbarin überall herumerzählte, dass die Somali undankbar seien? Wo waren die Rabbi Goldmans und die Pastorin Estavers gewesen, als die kleine Kalila gedacht hatte, der Ketchup-Spender bei Burger King sei zum Händewaschen da? Und Kalilas Mutter sah die Bescherung, die ihre Tochter angerichtet hatte, und gab ihr eine Ohrfeige, und eine Frau sprach sie an und sagte: Bei uns in Amerika werden Kinder nicht geschlagen. Wo war der Rabbi da? Der Rabbi konnte nicht wissen, wie es für sie war.
    Nein, und erst recht konnte der Rabbi, der längst wieder in seinem sicheren Zuhause bei seiner besorgten Frau war, nicht wissen, dass in Abdikarim, als er sich nun wieder schwer auf sein Bett setzte, nicht so sehr Furcht aufstieg als vielmehr die beschämende Erinnerung an sein wildes, verstohlenes Glück heute Abend, als er ein Stück mufa in den Mund geschoben hatte. In den Lagern war er unentwegt hungrig gewesen; wie an der Seite einer Ehefrau hatte er sich gefühlt, zusammengespannt mit diesem unaufhörlichen, zehrenden Mangel. So dass ihn jetzt, wo er hier war, mehr als alles andere diese tierhafte Gier nach Essen schmerzte, die noch immer in ihm wohnte; sie entwürdigte ihn. Essen, sich entleeren, schlafen – das waren Bedürfnisse der Natur. Das Privileg einer solchen Naturhaftigkeit war ihnen schon lange genommen.
    Er strich über die Stickerei auf seiner Bettdecke. » Astaghfirullah «, murmelte er, ich suche Vergebung, denn er hielt die Gewalt in seiner Heimat für die Schuld seines Volkes, das nicht das wahre Leben des Islam lebte. Als er die Augen schloss, sprach er sein letztes alhamdulilah für den Tag. Danke, Allah. Alles Gute kam von Allah. Das Schlechte von den Menschen, die die Saat des Bösen in ihren Herzen aufgehen ließen. Doch warum das so war, warum das Böse wuchern durfte wie eine bösartige Geschwulst – über diese Frage stolperte Abdikarim immer von neuem. Und die Antwort, jedes Mal: Er wusste es nicht.
    In dieser ersten Nacht auf der Couch ließ Bob sämtliche Kleider an, sogar den Mantel, so kalt war es. Das Licht kam schon durch die Jalousien hereingekrochen, als er eindämmerte, und er wurde davon wach, dass Susan schrie: »Von wegen, du kannst nicht zur Arbeit! Du löffelst deine Suppe schön selber aus. Du gehst verdammt noch mal

Weitere Kostenlose Bücher