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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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eingeleuchtet, augenblicklich und in niederschmetternder Klarheit. Als kleiner Junge hatte er seine Mutter sagen hören: »Der liebe Gott weiß schon, was er tut, wenn zwei Menschen kein Kind bekommen. Denkt an die verrückte Annie Day. Von wohlmeinenden Eheleuten adoptiert« – Augenbrauen hochgezogen – , »aber zu Eltern waren sie nun mal nicht geschaffen.« Das ist doch grotesk!, hatte Pam immer wieder ausgerufen während der Monate, in denen sie versucht hatten, sich damit abzufinden: Bob zeugungsunfähig. Deine Mutter war klug, Bob, aber sie war ungebildet, und das ist magisches Denken und sonst gar nichts, es ist grotesk , die verrückte Annie Day war vom ersten Tag an verrückt.
    Und so forderte es seinen Tribut. Unerbittlich.
    Als Pam sich gegen eine Adoption sperrte – »Ich brauch keine Annie Day« – , wuchs Bobs Beklommenheit. Als sie sich gegen Insemination durch einen Spender sperrte, wuchs seine Beklommenheit noch mehr. Bis die Ausweglosigkeit ihrer Situation das Gewebe ihrer Ehe schließlich zersetzt hatte. Und als er Ted kennenlernte, zwei Jahre nach Pams Auszug (einer Zeit, während der sie ihm am Telefon oft von »schwachsinnigen« Dates mit »schwachsinnigen« Männern vorgeheult hatte), musste er erkennen, dass Pam mit ihrem starken Willen und ihren zermürbenden Ängsten es ernst gemeint hatte, als sie sagte: »Ich will einfach noch mal neu anfangen.«
    Pam wickelte sich eine Haarsträhne um den Zeigefinger. »Und was ist mit Sarah? Siehst du sie noch? Ist es richtig aus zwischen euch? Oder eher nur eine Auszeit?«
    »Richtig aus.« Bob trank seinen Whiskey, sah sich um. »Vermutlich geht es ihr gut, ich höre nichts mehr.«
    »Sie konnte mich nie leiden.«
    Denk dir nichts, besagte Bobs Achselzucken. In der Tat hatte Sarah, nachdem sie es zu Anfang angenehm und zivilisiert gefunden hatte, dass Bob und Pam (und Ted und die Jungen) auf so gutem Fuß standen – ihr eigener Exmann war ein Ekel – , eine heftige Abneigung gegen Pam entwickelt. Selbst wenn Bob und Pam wochenlang nicht miteinander gesprochen hatten, sagte Sarah: »Und wenn sie mal wieder richtig verstanden werden will, greift sie zum Hörer. Sie hat dich kaltblütig gegen ein neues Leben eingetauscht, Bob. Und trotzdem braucht sie dich immer noch, weil du sie ach so gut kennst.«
    »Tu ich ja auch. Und sie mich.«
    Schließlich war ein Ultimatum gestellt worden. Keine Ehe mit Sarah, wenn Pam nicht für immer von der Bildfläche verschwand. Diskussionen, Streit, endloser Stress – aber letzten Endes brachte Bob es nicht über sich.
    Helen hatte gesagt: »Bob, bist du verrückt? Wenn du Sarah liebst, brich den Kontakt zu Pam ab. Jim, sag deinem Bruder, dass er verrückt ist.«
    Erstaunlicherweise wollte Jim ihm das nicht sagen. Er hatte nur erwidert: »Pam ist Bobs Familie, Helen.«
    Pam stupste ihn mit dem Ellenbogen. »Warum? Was ist passiert?«
    »Es ist ausgeartet«, sagte Bob und ließ den Blick über die Leute schweifen, die sich vor der Bar drängelten. »Irgendwie ist es immer mehr ausgeartet. Es ging einfach nicht mehr.«
    »Ich hab meiner Freundin Toni von dir erzählt. Sie würde gern mal mit dir essen gehen.« Pam schnipste eine Visitenkarte auf den Tisch, die sie aus der Handtasche gezogen hatte.
    Bob kniff die Augen zusammen, zog die Brille heraus. »Mit einem Smiley als i-Punkt? Nein, danke.« Er schob ihr die Karte wieder hin.
    »Na schön.« Sie ließ sie zurück in ihre Tasche fallen.
    »Ich habe genug Freunde, die mich verkuppeln wollen, keine Sorge.«
    »Dates sind ein Alptraum«, sagte Pam, und Bob zuckte die Achseln und meinte, wohl wahr.
    Es war winterlich dunkel, als sie aufbrachen, und auf ihrem Weg schräg durch den Park zur Fifth Avenue kam Pam ein- oder zweimal ins Straucheln; sie hatte drei Gläser Wein getrunken. Ihm fiel auf, dass sie spitz zulaufende Schuhe mit flachen Absätzen trug. Und dass sie dünner als beim letzten Mal war. »Dieses Abendessen, zu dem ich zu früh gekommen bin«, sagte sie und hielt sich an ihm fest, während sie sich etwas aus dem Schuh schüttelte. »Da fingen die Leute auf einmal an, über ein Paar zu reden, das nicht da war. Sie hätten keinen Geschmack, sagten sie. Keinen Kunstgeschmack, meinten sie wohl. Keine Ahnung. Das hat mich richtig nervös gemacht, Bobby. Stell dir vor, die Leute sagen von mir, ich biedere mich an und habe keinen Geschmack.«
    Bob konnte nicht anders, als laut loszulachen. »Na und? Ist doch wurscht.«
    Sie sah ihn an und brach selber in Lachen

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