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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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sie nicht mehr Leute hinter die Schalter setzen.« Oder sie stand an der Expresskasse im Lebensmittelmarkt, zählte die Einkäufe der Kundin vor ihr und musste sich sehr zurückhalten, um nicht zu sagen: »Sie haben da vierzehn Artikel, das Schild gestattet aber nur zehn.« So wollte Helen nicht sein, es entsprach nicht ihrem Bild von sich, und als sie nach der Ursache dafür fahndete, wurde es ihr klar: An dem Tag nach ihrer Rückkehr aus St. Kitts hatte sie ihren Koffer ausgepackt, allein, und plötzlich einen ihrer schwarzen Ballerinas quer durchs Schlafzimmer gepfeffert. »Zum Teufel mit euch!«, hatte sie laut gesagt. Eine weiße Leinenbluse hätte sie um ein Haar in zwei Teile gerissen. Dann hatte sie sich aufs Bett gesetzt und zu weinen angefangen, weil sie nicht jemand sein wollte, der mit Schuhen warf oder Leute verfluchte, die gar nicht da waren. Helen fand Wut ungebührlich und hatte ihren Kindern beigebracht, nicht nachtragend zu sein und nie unversöhnt ins Bett zu gehen. Dass Jim sehr oft wütend war, irritierte Helen vergleichsweise wenig, vor allem deshalb, weil seine Wut sich selten auf sie richtete und es ihr Part war, ihn zu beruhigen, worauf sie sich sehr gut verstand. Aber sein Wutausbruch im Hotelzimmer hatte sie getroffen. Ihre Flüche beim Auspacken, erkannte sie, galten Susan, Susan und ihrem verkorksten Sohn Zach. Und auch Bobby. Sie hatten sie um ihren Urlaub betrogen. Um eine Zeit der Nähe zu ihrem Mann. Dass dieser Moment, in dem sie ihn so unattraktiv gefunden hatte, noch nicht verflogen war, wie es sich gehört hätte, beunruhigte Helen und schürte gleichzeitig ihre Sorge – ihre Überzeugung – , dass auch er sie unattraktiv fand. Ein grässlicher Gedanke, beides. Sie fühlte sich alt. Alt und zickig. Und das war ungerecht, denn so war sie nicht. Zuinnerst wusste sie, dass zu einer glücklichen Ehe ein glückliches Sexualleben gehörte (das ein besonderes Geheimnis sein musste, ein ganz besonderes Band), und auch wenn sie niemals offen über das geredet hätte, was diese Putzfrau über Nippelklemmen und all ihre anderen Funde schrieb, nagte die Vorstellung an ihr. Sie und Jim hatten nie etwas anderes als sich selbst gebraucht. Zumindest glaubte Helen das. Aber woher sollte sie wissen, was andere Leute taten? Vor Jahren in West Hartford hatte es einen Mann gegeben, der seine kleinen Töchter in denselben Kindergarten brachte wie Helen ihre Mädchen, und dieser Mann hatte sie manchmal mit einer finsteren Ernsthaftigkeit im Blick angesehen. Sie wechselten nie ein Wort. Damals war sie überzeugt, dass er ihr ansah, was sie in sich zu fühlen meinte – einen Sumpf bestialischer Sexualität. Ein Sumpf, tief in ihrem Innersten verborgen, aber weil sie nun einmal Helen war, hatte sie sich ihm nie genähert. Manchmal beschäftigte sie das jetzt – die Erkenntnis, dass der Zeitpunkt verpasst war, noch irgendwelche Entdeckungen in dieser Richtung zu machen. Wobei das alles natürlich Unsinn war, denn sie hätte ihr Leben um nichts in der Welt gegen ein anderes getauscht. Aber es grämte sie – es grämte sie wirklich – , dass Jim in St. Kitts auf Distanz gegangen war; Golf, stundenlang, und hinterher ins Fitnesscenter. Und jetzt saß sie hier, wieder zu Hause, am Rand des leeren Nests, mit dem niemand ein Problem zu haben schien außer ihr.
    Das Ungewohnte an dem Gefühl war, dass es nicht wieder verschwand. Während die Tage vergingen, sie ihren Kindern die Geschenke schickte – ein T-Shirt und eine Kappe für ihren Sohn in Arizona (aber dass du die Kappe auch aufsetzt, du bist die Sonne nicht gewöhnt, schrieb sie), ein Pullover für Emily in Chicago, ein paar Ohrringe für Margot in Michigan – , während sie Rechnungen bezahlte, die sich angesammelt hatten, Winterkleider heraussuchte, die weggepackt gewesen waren, flammte ihr Zorn auf die Burgess immer wieder auf. Ihr habt mir etwas weggenommen. Ja, das habt ihr.
    »Das ist lächerlich«, sagte sie eines Abends zu Jim. Er hatte ihr gerade eröffnet, dass man ihn eventuell bitten würde, auf der Kundgebung in Shirley Falls zu reden. »Wozu soll das bitte schön gut sein?«
    »Was heißt, wozu soll es gut sein? Die Frage ist, ob ich es machen will, aber wenn ich es mache, dann ist es auch zu etwas gut.« Jim aß seine Grapefruit, ohne sich eine Serviette auf den Schoß zu legen, und Helen sah, dass er gekränkt war.
    »Danke, Ana«, sagte sie, als die Lammkoteletts serviert wurden. »Jetzt haben wir alles. Und wenn Sie beim Rausgehen

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