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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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Festival statt, Bobs Highlight und damit auch Pams: an vier Abenden Konzerte im Stadtpark, und alle tanzten, die alten Einwandererfrauen und ihre in den Fabriken zerschlissenen Männer schoben zu der ohrenbetäubenden Musik der C’est-Si-Bon-Band übers Parkett. Barbara war nicht dabei; mit den Frankokanadiern, die in der Ziegelei arbeiteten, in der ihr Mann Vorarbeiter gewesen war, hatte sie so wenig im Sinn wie mit Musik und Tanz und anderen Lustbarkeiten. Aber die Burgess-Kinder gingen hin; Jim zog es zu den Diskussionen über Arbeitsniederlegungen und gewerkschaftliche Organisierung, und an den Festabenden lief er herum und redete mit allen möglichen Menschen; Pam sah ihn noch vor sich, wie er mit geneigtem Kopf zuhörte, mit der Rechten knappe Grüße auf Schultern klopfte, schon jeder Zoll der Politiker, der er einmal werden wollte.
    Pam hatte die falsche Farbe für ihre Zehennägel ausgewählt. Das sah sie jetzt, als sie auf sie hinabschaute. Es war Herbst, was wollte sie mit dieser Melonenfarbe? Die Koreanerin blickte hoch zu ihr, ihr winziger Pinsel schwebte über einem Zeh. »Ist gut so«, sagte Pam. »Danke.«
    Barbara Burgess war schon seit zwanzig Jahren tot, machte Pam sich klar, während ein Zehennagel nach dem anderen diesen grauenhaften (»französischen«) Lack bekam. Sie hatte nicht mehr miterlebt, wie Jim berühmt geworden, Bobs Ehe geschieden und er kinderlos geblieben, Susans Ehe geschieden und ihr Sohn so sonderbar geworden war. Oder wie Pam sich die Fußnägel blassorange lackieren ließ, in dieser Stadt, in der sie nur einmal gewesen war, während Jims Zeit bei der Staatsanwaltschaft in Manhattan. Wie hatte Barbara New York gehasst! Bei der Erinnerung bewegte Pam die Lippen; sie und Bobby wohnten zu dem Zeitpunkt schon hier, und die arme Barbara war kaum einmal aus ihrer Wohnung herausgekommen. Pam hatte sie mit Sticheleien gegen Helen unterhalten, die frisch mit Jim verheiratet war und alle Register zog, um ihrer neuen Schwiegermutter zu gefallen – sich erbot, mit ihr ins Metropolitan Museum zu gehen oder in eine Matinee am Broadway oder ein ganz besonderes Café im Village. »Was findet er an ihr?«, hatte Barbara gefragt, auf dem Bett liegend, den Blick auf den Deckenventilator gerichtet.
    »Normalität.« Pam lag neben ihr und starrte ebenfalls an die Decke.
    »Sie ist normal?«
    »Connecticut-normal, vermute ich.«
    »Weiße Slipper tragen ist connecticut-normal?«
    »Ihre Slipper sind beige.«
    Im Jahr darauf war Jim mit Helen nach Maine gezogen, und Barbara hatte sich an sie gewöhnen müssen, aber da sie eine Autostunde entfernt in Portland lebten, war es nicht ganz so schlimm. Jim war inzwischen stellvertretender Generalstaatsanwalt, zuständig für die Strafkammer, und genoss einen Ruf als harter, aber fairer Mann, der hervorragend mit der Presse umgehen konnte. In der Familie redete er offen über seine politischen Ambitionen. Er wollte sich um einen Sitz im Parlament bewerben und Generalstaatsanwalt werden, später dann Gouverneur. Und es gab keinen, der es ihm nicht zutraute.
    Drei Jahre später erkrankte Barbara. Die Krankheit machte sie weicher, und sie sagte zu Susan: »Du bist immer ein gutes Kind gewesen. Ihr wart alle gute Kinder.« Wochenlang weinte Susan still in sich hinein. Jim betrat und verließ gesenkten Hauptes das Krankenzimmer. Bob wirkte wie benommen, sein Gesicht oft so ratlos wie das eines kleinen Jungen. Beim Gedanken daran musste Pam sich die Nase putzen. Das Seltsamste aber war, dass Jim und Helen und ihr neugeborenes Baby einen Monat nach Barbaras Tod in ein vornehmes Haus in West Hartford zogen. Zu Bob sagte Jim, dass er Maine nie wiedersehen wollte.
    »Oh, danke«, sagte Pam. Die Koreanerin hielt ihr mit erwartungsvollem Ausdruck ein Papiertaschentuch hin. »Ganz herzlichen Dank.« Ein schnelles Kopfnicken, dann steckte die Frau ein weiteres Tuch zwischen Pams Zehen.
    In den baumgesäumten Straßen von Park Slope wurden schon so viele Blätter auf die Gehwege geweht, dass kleine Kinder in den raschelnden Haufen spielten; unter den Blicken ihrer geduldigen Mütter warfen sie mit vollen Händen das Laub in die Luft und ließen es vom Wind wegtragen. Aber Helen Burgess fühlte sich gestört, wenn andere stehen blieben oder sich so platzraubend bewegten, dass sie in ihrem Gehrhythmus beeinträchtigt wurde. In langen Schlangen vor dem Bankschalter konnte es vorkommen, dass sie seufzte und zu ihrem Vordermann sagte: »Da fragt man sich doch wirklich, warum

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