Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)
sich durch die Programme.
»Hast du sie kennengelernt?« Bob ließ sich in den Sessel beim Telefon sinken. Er wollte unten fragen, ob sie sich nicht ein paar Whiskeys bringen lassen konnten; dass es in der Minibar keinen gab, war ein Schlag gewesen.
»Wo hätte ich sie kennenlernen sollen?« Zachs Stimme klang tief und ernsthaft. »Sie lebt in Schweden.«
»Stimmt«, sagte Bob. Er griff zum Telefonhörer.
»Lass es lieber bleiben«, sagte Jim, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden.
»Was?«
»Was du gerade vorhast, dir was zum Trinken bestellen. Wozu Aufmerksamkeit auf uns ziehen?«
Bob rieb sich mit der Hand übers Gesicht. »Weiß deine Mum von der Freundin?«, fragte er.
Zach zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Ich sag’s ihr jedenfalls nicht.«
»Nee«, sagte Bob. »Warum auch.«
»Was macht diese Freundin?«, fragte Jim, der die Fernbedienung wie einen Schaltknüppel neben sich auf dem Bett hielt.
»Sie ist Krankenschwester.«
Jim wechselte den Kanal. »Ein schöner Beruf, Krankenschwester. Zieh endlich die Jacke aus, Kamerad. Wir bleiben über Nacht.«
Zack zwängte sich aus seiner Jacke, warf sie auf den Fußboden zwischen Wand und Bett. »Sie war drüben«, sagte er.
»Häng sie da rein«, befahl Jim und deutete mit der Fernbedienung auf den Kleiderschrank. »Wo drüben?«
»Somalia.«
»Echt«, sagte Bob. »Im Ernst?«
»Glaubst du vielleicht, ich denk mir das aus?« Zach hängte die Jacke in den Schrank, setzte sich wieder aufs Bett und schaute seine Hände an.
»Wann war sie in Somalia?« Jim stützte sich auf den Ellenbogen, um Zach sehen zu können.
»Irgendwann früher. Als die gehungert haben.«
»Die hungern immer noch. Was hat sie dort gemacht?«
Wieder ein Schulterzucken von Zach. »Weiß nicht genau. In einem Krankenhaus gearbeitet, als die Paki … die Portu … wie hieß das noch, ein Land mit P?«
»Pakistan.«
»Ja. Also, sie war da, als diese Leute da rübergefahren sind, um die Lebensmittel und das alles zu bewachen, und ein paar von den Leuten sind von den Salamis getötet worden.«
Jim richtete sich auf. »Himmelarsch, du solltest nun wirklich nicht von ›Salamis‹ sprechen. Kriegst du das nicht in deinen verdammten Schädel? Kannst du nicht mal für fünf Cent mitdenken?«
»Lass, Jim«, sagte Bob. Zachs Gesicht hatte sich verfärbt, und er starrte auf seine Finger, knetete sie im Schoß. »Weißt du, Zach, die Wahrheit über deinen Onkel Jim ist, dass niemand so genau weiß, ob er ein Arschloch ist oder nicht, aber er benimmt sich oft wie eins, nicht nur dir gegenüber. Hast du Lust, mit mir runterzukommen, wenn ich mir was zu trinken organisiere?«
»Bei dir piept’s wohl«, sagte Jim. »Wir waren uns einig, Zach verlässt dieses Zimmer nicht. Irgendwas wirst du doch dabeihaben, also pack’s aus und trink es.«
»Hat sie für eine Hilfsorganisation gearbeitet?«, fragte Bob. »Die Freundin von deinem Dad?« Er ging zu Zach und setzte sich neben ihm aufs Bett, drückte ihm die Schultern. »Ich stell sie mir nett vor. Deine Mom ist ja auch nett.«
Zach lehnte sich etwas zu Bob hinüber, und Bob ließ den Arm noch einen Moment auf seiner Schulter liegen. »Sie musste zurück nach Hause, nach Schweden. Und alle ihre Kolleginnen auch, weil lauter Soldaten in das Krankenhaus gebracht wurden, denen die Eier abgeschnitten worden waren und die Augen ausgestochen. Und irgendwelche Salam … Somal … Somalierinnen hatten ein großes Messer genommen und diesen einen Typ in Stücke gehackt. Da ist Dads Freundin ausgetickt. Und ihre Krankenschwesternkolleginnen auch. Deshalb sind sie zurück nach Hause.«
»Hat dein Vater dir das erzählt?« Jim sah zu Bob hinüber.
Zach nickte.
»Das heißt, du sprichst mit ihm?«
»Er mailt mir.« Zach fügte hinzu: »Das ist fast so wie sprechen.«
»Stimmt.« Bob stand auf, ließ Kleingeld in den Hosentaschen klimpern. »Wann hat er dir das geschrieben?«
Achselzucken. »Ist schon ’ne Weile her. Als die ganzen Leute hier angekommen sind. Er hat mir eine Mail geschrieben, dass die ganz schön verrückt sind.«
»Moment mal, Zach.« Jim schaltete den Fernseher aus. Er stand auf, ging zu Zach und blieb vor ihm stehen. »Dein Vater hat dir geschrieben, dass du dich vor den Somali in Acht nehmen sollst, die hierherkommen? Weil sie verrückt sind?«
Zach schaute in seinen Schoß. »In Acht nehmen nicht direkt … «
»Sprich lauter.«
Zach warf einen schnellen Blick auf Jim; Bob sah, dass seine Wangen glühten. »Nicht
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