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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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Menschen, denen sie sich anschlossen. Einige trugen Plakatschilder, auf die das Logo der Kundgebung gemalt war: zwei Strichmännchen, die sich an den Händen halten. »Mit denen dürft ihr nicht in den Park«, sagte jemand und bekam ein fröhliches »Wissen wir« zur Antwort. Hinter der nächsten Ecke sahen sie den Park vor sich liegen. Überfüllt war er nicht, aber doch gut gefüllt; das größte Gedränge herrschte vor dem Podium. TV -Übertragungswagen und Menschen mit noch mehr Plakatschildern säumten die anliegenden Straßen. Die Ränder des Parks begrenzten orangerote Absperrbänder, die an provisorischen Pfählen befestigt waren, und alle paar Meter stand ein Polizist. Sie hatten die Augen ständig in Bewegung, behielten alles im Blick, aber auch von den Polizisten in ihren blauen Uniformen ging eine gewisse Lockerheit aus. Am Eingang an der Pine Street war eine Sicherheitssperre mit Tischen und Metalldetektoren aufgebaut. Die Burgess-Brüder spreizten die Arme ab und durften passieren.
    Leute in Daunenwesten und Jeans standen herum, Rentner mit weißem Haar und breiten Hüften bewegten sich langsam vorwärts. Die meisten Somali hatten sich beim Spielplatz versammelt. Die Männer trugen westliche Kleidung, bemerkte Bob, ein paar von ihnen kittelähnliche Hemden unter ihren Jacken. Aber die somalischen Frauen – viele mit runden Backen, einige schmalgesichtig – trugen bodenlange Umhänge, und manche der Kopfbedeckungen erinnerten Bob an die Nonnen, die in seiner Kindheit in ebendiesem Park spazieren gegangen waren. Dabei ähnelten sie ihnen kaum, viele der Kopftücher waren flatterig und bunt, als hätte eine neue Sorte Blätter, orange, lila und gelb, den Weg in den Park gefunden. »Der menschliche Geist will sich immer an etwas festhalten, findest du nicht?«, sagte Bob zu Jim. »Etwas, das er kennt. Damit er sagen kann: Das ist genau wie … Aber so etwas wie das hier hatten wir noch nie. Es ist nicht wie das Franko-Festival oder die Moxie Days … «
    »Halt die Klappe«, sagte Jim leise.
    Eine Frau sprach auf dem Podium. Ihre mikrofonverstärkte Stimme kam gerade zum Ende, und die Leute klatschten höflich. Die Atmosphäre wirkte festlich und reserviert zugleich. Bob blieb stehen, Jim ging weiter Richtung Podium. Wie immer würde er frei sprechen. Die Frau, die eben das Podium verließ, war Margaret Estaver; sie verschwand in einer Traube von Menschen, und Bob suchte die Menge mit Blicken ab. Es war ihm noch nie so stark aufgefallen, wie ähnlich sich weiße Menschen sahen. Wie ein Ei dem anderen. Weißhäutig, offen und frappierend unscheinbar, verglichen mit den Somali, die sich jetzt mehr mit der Stadtbevölkerung mischten; überall leuchteten die langen Gewänder der Frauen. Einige hatten ihren Kindern erlaubt mitzukommen, und die Jungen waren amerikanisch gekleidet, in Hosen und T-Shirts unter übergroßen Jacken. Wieder dachte Bob, wie ungewohnt es war, hier so viele Menschen versammelt zu sehen, ganz ohne die Musik und das Tanzen und die Imbissstände, die er aus seiner Jugend kannte. Und ohne Pam. Die jugendlich-vollschlanke Pam mit ihrem jugendlich-vollen Lachen. Pam, jetzt mager in New York, ihre Söhne zu New Yorkern erziehend. (Pam!)
    »Bob Burgess.« Margaret Estaver stand hinter ihm. »Ach, das macht doch nichts«, sagte sie, als er beteuerte, wie leid es ihm tat, ihre Ansprache verpasst zu haben. »Es läuft sehr gut. Besser, als wir gehofft haben.« Es war etwas Strahlendes an ihr, das ihm nicht aufgefallen war, als sie nebeneinander auf Susans Veranda gesessen hatten. »Ganze dreizehn Teilnehmer haben sich im Gemeindezentrum zur Gegenkundgebung eingefunden. Dreizehn .« Die Augen hinter der Brille waren graublau. »Nach ersten Schätzungen sind hier viertausend Menschen versammelt. Ist das nicht ein tolles Gefühl?«
    Und ob, sagte er.
    Alle möglichen Menschen näherten sich ihr, und sie begrüßte jeden mit Handschlag. Wie eine liebenswürdige Version von Jim, dachte Bob, Jim, als er noch Politiker in Maine werden wollte. Jemand rief nach Margaret, sie nickte und sagte: »Ich komme.« Bob winkte sie zu, legte die Hand mit zwei abgespreizten Fingern an die Wange: »Rufen Sie mich an«, und Bob wandte sich zum Podium.
    Jim war noch nicht auf der Bühne. Er stand bei einem großen, zotteligen Mann, in dem Bob Dick Hartley erkannte, den Generalstaatsanwalt. Jim stand mit verschränkten Armen da, den Blick gesenkt, und nickte, den Kopf Dick zugeneigt, der mit ihm redete. (»Lass die

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