Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)
direkt in Acht nehmen. Einfach nur … «, Zach senkte den Blick, »… ja, dass sie vielleicht ein bisschen verrückt sind.«
»Wie oft hast du Kontakt mit deinem Vater?« Jim verschränkte die Arme vor der Brust.
»Weiß nicht.«
»Ich frag dich, wie oft du in Kontakt mit deinem Vater bist?«
Bob sagte gedämpft: »Hör auf, Jim. Er ist nicht im Zeugenstand, Himmelarsch.«
»Manchmal schreibt er mir viele Mails«, sagte Zach, »und dann hab ich wieder das Gefühl, er hat mich vergessen.«
Jim drehte sich um und ging ein paar Schritte hin und her. Schließlich sagte er: »Du hast dir vermutlich gedacht, es imponiert deinem Vater, wenn du denen einen Schweinekopf in die Moschee wirfst.«
»Ich weiß nicht, was ich gedacht habe«, sagte Zach. Er wischte sich mit der Hand über die Augen. »Es hat ihm nicht imponiert«, schob er nach.
Jim sagte: »Na, da bin ich froh, ich wollte nämlich gerade sagen, dass dein Vater ein Vollidiot ist.«
Bob sagte: »Er ist kein Vollidiot. Er ist Zachs Vater. Verflucht noch mal, Jim, hör endlich auf.«
Jim sagte: »Hör zu, Zachary, niemand schneidet dir hier die Eier ab. Diese Menschen sind hergekommen, weil sie weg davon wollten. Sie sind nicht die Bösen.« Er setzte sich wieder auf sein Bett, knipste den Fernseher an. »Dir kann hier nichts passieren. Okay?«
Bob durchstöberte seine Reisetasche, brachte die Weinflasche zum Vorschein. »Da hat er recht, Zach.«
Zach fragte: »Erzählt ihr das meiner Mum? Was mein Dad mir geschrieben hat?«
Jim sagte müde: »Du meinst, den Grund, warum du es getan hast? Was würde deine Mum tun?«
»Mich anschreien.«
»Ich weiß es nicht«, sagte Jim schließlich. »Sie ist deine Mutter. Es geht sie etwas an.«
»Aber bitte nichts von der Freundin erzählen. Den Teil erzählt ihr nicht, okay?«
»Nein, Kamerad«, antwortete Bob. »Der Teil geht sie nichts an.«
»Und jetzt Schluss für heute«, sagte Jim. »Morgen ist ein großer Tag.« Er sah zu Bob, der die Weinflasche öffnete. »Trinkt dein Vater?«, fragte er Zach.
»Keine Ahnung. Früher hat er nicht getrunken.«
»Na, dann wollen wir hoffen, dass du nicht die Gene von deinem Onkel Goofy geerbt hast.« Jim zappte sich durch die Programme.
»Siehst du, Zachary? Das hab ich gemeint. Dein berühmter Onkel. Ist er ein Arschloch oder ist er keins? Die Antwort kennt nur sein Frisör.«
Bob schenkte sich Wein in ein Hotelglas, zwinkerte Zach zu.
»Was?« Zachs Blick schnellte ein paarmal hin und her zwischen Bob und Jim: »Du färbst dir die Haare?«, fragte er Jim.
Jim sah ihn an. »Nein. Er spielt auf eine Werbung an, aber das war vor deiner Zeit.«
»Puh«, sagte Zach. »Männer, die sich die Haare färben, sind nämlich ganz schön schwach.« Er legte sich aufs Bett, schob sich den Arm unter den Kopf wie sein Onkel Jim.
Am Morgen ging Bob nach unten und kam mit Cornflakes und Kaffee zurück. Jim blätterte in einer Broschüre der »Allianz für ein tolerantes Miteinander«, die Bob von Margaret Estaver geschickt bekommen hatte. »Wusstet ihr, dass nur neunundzwanzig Prozent der Amerikaner der Meinung sind, dass der Staat Verantwortung für die Armen trägt?«
»Ja«, sagte Bob. »Unerhört, nicht?«
»Und zweiunddreißig Prozent glauben, dass für unseren Erfolg im Leben Kräfte verantwortlich sind, auf die wir keinen Einfluss haben. In Deutschland glauben das achtundsechzig Prozent der Menschen.« Jim warf die Broschüre auf die Seite.
Nach einem kurzen Schweigen sagte Zach leise: »Versteh ich nicht. Ist das gut oder schlecht?«
»Das ist amerikanisch«, sagte Jim. »Iss deine Cornflakes.«
»Also ist es gut«, sagte Zach.
»Und denk dran: nur ans Handy gehen, und auch nur, wenn du die Nummer kennst.« Jim stand auf. »Hol deinen Mantel, Goofy.«
Die Strahlen der Novembersonne – die in einem flachen Winkel auf die Stadt schien – schnitten durch die Straßen und die noch grünen Rasenflächen, fielen auf Türstufen mit alten, eingesunkenen Halloweenkürbissen darauf, beleuchteten Baumstämme und nacktes Geäst, erhellten die klare Luft, brachten den Glimmer in dem alten Pflaster zum Funkeln. Jim und Bob parkten ein paar Straßen entfernt. Als sie um die Ecke bogen, sah Bob mit Erstaunen die Menschenmengen, die in den Park unterwegs waren. »Wo kommen die denn alle her?«, fragte er seinen Bruder. Jim sagte nichts, Anspannung stand ihm im Gesicht. Aber die Gesichter um sie herum waren nicht angespannt. Das fiel auf: diese wohlmeinende Ernsthaftigkeit der
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