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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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»Vielleicht erwisch ich ja noch jemanden.«
    »Jim, was tust du?« Helen stand auf.
    »Liebling. Mach dir keine Sorgen wegen dem Ring. Wir lassen ihn richten.« Er schaute zu ihr herüber. »Und für die Oper reicht die Zeit allemal.«
    »Aber es war der originale Diamant.« Helens Augen schwammen in Tränen.
    Jim tippte die Nummer mit großem Nachdruck ein, und nach ein paar Sekunden sagte er: »Jim Burgess. Ich wäre ihr äußerst verbunden, wenn sie das Gespräch entgegennimmt.« Dann: »Hallo? Diane? Jim Burgess. Ich glaube nicht, dass wir uns kennen. Wie geht’s Ihnen? Ich höre, ihr habt schon Schnee da oben. Nein, das sehen Sie richtig, ich rufe nicht wegen des Schnees an. Ja. Das ist der Grund meines Anrufs.«
    »Ich ertrage das nicht«, murmelte Helen. »Ich geh duschen.«
    »Ich weiß«, sagte Jim. »Ich weiß das. Aber ich weiß auch, dass es sich um einen Dummejungenstreich handelt. Und es ist bodenlos … « Er zeigte dem Telefonapparat den Mittelfinger. »Ich habe gesagt bodenlos, ja. Ja, mir ist bekannt, dass ein kleiner Junge in der Moschee in Ohnmacht gefallen ist. Und Zachary ist das auch bekannt, und das ist schlimm. Ich weiß, dass Mr. Tibbetts ihn vertritt. Ich bezahle Mr. Tibbetts. Ich rufe Sie nicht als Zacharys Anwalt an, sondern als sein Onkel. Hören Sie zu, Diane. Wir reden hier von einem Vergehen. Und soviel ich weiß, wird auf so etwas immer noch das Strafrecht angewandt, und es wird vor einer Strafkammer verhandelt. Das hat nichts mit Bürgerrechten zu tun, und … « Er drehte sich zu Bob um, formte mit dem Mund das Wort ›Pissnelke‹. »Streben Sie eine politische Karriere an, Miss Dodge? Für mich riecht das stark nach Politik. Nein, das ist kein Einschüchterungsversuch, in keiner Weise. Infragestellung Ihrer Integrität? Ich bemühe mich, ein Gespräch mit Ihnen zu führen. Wenn ein somalischer Junge diesen Schweinekopf geworfen hätte, würden Sie dann genauso vorgehen? Eben, das meine ich. Und wenn Zachary transsexuell wäre, würden Sie es auch nicht tun. Der Staat verfolgt ihn so pflichteifrig, weil der arme Kerl weiß ist. Das wissen Sie. Und das nach drei Monaten, ich bitte Sie. Wollen Sie ihn foltern? Okay, okay.«
    Jim legte auf, klopfte ungeduldig mit einem Bleistift auf den Schreibtisch. Dann nahm er den Bleistift zwischen beide Hände und brach ihn entzwei. »Jemand wird da rauffahren müssen.« Er drehte den Sessel in Bobs Richtung. »Und dieser Jemand bin nicht ich.« Vom Flur herüber hörte man die Dusche rauschen. »Warum bist du eigentlich hier?«
    »Helen hat angerufen, ob ich mit ihr den Diamanten suche.«
    Jim ließ den Blick durchs Zimmer schweifen, über die Bücherregale, die Bilder der Kinder in verschiedenen Lebensaltern. Dann schüttelte er langsam den Kopf, schaute Bob wieder an. »Es ist ein Ring «, flüsterte er.
    »Na ja, es ist ihr Ring, und sie ist verzweifelt.«
    Jim stand auf. »Ich bin Dick Hartley in den Arsch gekrochen«, sagte er. »Und jetzt gibt er ihr grünes Licht. Sie machen meinen Neffen platt – wo ich doch extra hingefahren bin, um zu verhindern, dass dieser scheißliberale Faschismus sich durchsetzt.«
    »Du bist hingefahren, um dein Bestes zu geben und Zach zu helfen, aber es hat nicht funktioniert. Nichts anderes.«
    Jim setzte sich wieder hin, beugte sich vor, die Ellenbogen auf die Knie gestützt. Leise sagte er: »Wenn ich doch bloß ausdrücken könnte – wenn ich in Worte fassen könnte – wenn ich auf irgendeine Weise deutlich machen könnte, wie abgrundtief ich dieses Maine hasse.«
    »Du hast es mehr als deutlich gemacht. Vergiss es. Ich fahre zur Verhandlung rauf. Ich hab noch jede Menge Urlaub abzufeiern. Geh du mit deiner Frau in die Oper und kauf ihr einen neuen Ring.« Bob rieb sich den Nacken. Zwei Drittel der Familie waren nicht davongekommen, dachte er. Er und Susan – einschließlich Susans Sohn – waren verloren seit dem Tag, an dem ihr Vater gestorben war. Sie hatten es versucht, ihre Mutter hatte es für sie versucht. Aber nur Jim hatte es geschafft.
    Als er an Jim vorbeiging, fasste sein Bruder nach seinem Handgelenk. Die Geste kam so unerwartet, dass Bob stehen blieb. »Was ist?«, fragte er.
    Jim schaute hinüber zum Fenster. »Nichts«, sagte er. Langsam zog er seine Hand zurück.
    Die Dusche am Ende des Flurs rauschte nicht mehr. Die Badezimmertür öffnete sich, dann Helens Stimme: »Jimmy? Wirst du dich heute den ganzen Abend darüber ärgern? Es ist nämlich Romeo und Julia , und ich habe keine

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