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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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Lust, mir das mit einem muffeligen Ehemann auf der einen und einer muffeligen Dorothy auf der anderen Seite anzusehen.« Bob konnte hören, dass sie sich um einen vergnügten Tonfall bemühte.
    »Schatz«, rief Jim, »ich bin ganz bestimmt brav.« Leise sagte er zu Bob: » Romeo und Julia ? Mann. Das grenzt an Folter.«
    Bob zuckte abwehrend mit den Schultern. »Angesichts dessen, was unser Präsident so alles in Gefängnissen vor der Küste veranstalten lässt, sollte man vielleicht nicht von Folter sprechen, wenn man mit seiner Frau in die Met geht. Aber ich weiß schon, alles ist relativ.« Er bereute es sofort und wappnete sich für Jims Retourkutsche.
    Aber Jim erhob sich und sagte: »Hast recht. Hast ja vollkommen recht. Bescheuertes Land. Bescheuerter Staat. Bis bald. Danke, dass du geholfen hast, den Stein zu suchen.«
    Auf dem Heimweg vom Haus seines Bruders, während er schnüffelnden Hunden auswich, deren Herrchen sie halbherzig aus dem Weg zogen, verlor Bob sich immer tiefer in Vergangenem. Damals, als er noch Strafverteidiger war, hatte er es immer als seinen Job verstanden, den Geschworenen einen Pfropf des Zweifels einzupflanzen, um den steten Fluss der Logik, der von den Fakten eines Falls auszugehen schien, zum Stocken zu bringen. Und jetzt trieb ein solcher Pfropf des Zweifels in ihm selbst sein Unwesen, eines Zweifels, der sich immer mehr verstärkte, seit er ihm von Jim in Shirley Falls eingepflanzt worden war, so dass Bob selbst jetzt, im Angesicht dieser neuen Gefahr für Zachary, an den Menschen auf dem Gehsteig vorüberging und nur an seine Exfrau dachte. Jims Abwiegelei auf der Rückfahrt nach New York hatte ihn in keiner Weise beruhigt, auch wenn er von seinem Bruder keine weiteren Erklärungen gefordert hatte. Dass Pam ein Parasit sein sollte, war absurd. Dass sie Bedürfnisse hatte und sich zu holen wusste, was sie brauchte, schon weniger. Aber dass sie Jim angemacht , »ein paar recht unbedachte Geständnisse« gemacht haben sollte – was um alles in der Welt hatte das zu bedeuten?
    Bob wich einem Hund aus, der Besitzer zog sein Tier zurück. Erschreckend, wie das Ende seiner Ehe ihm zugesetzt hatte. Die Stille, wo so viele Jahre der Klang von Pams Stimme gewesen war, ihr Schwatzen, Lachen, ihre dezidierten Meinungen, ihre plötzlichen Tränenausbrüche – die Abwesenheit all dieser Geräusche, die Dusche, die nicht mehr rauschte, die Schubladen, die nicht mehr aufgerissen oder zugeknallt wurden, selbst das Schweigen seiner eigenen Stimme, denn nun blieb er ja stumm, wenn er nach Hause kam, erzählte niemandem von seinem Tag – , die Stille brachte ihn schier um. Aber das faktische Ende verblieb in einem Nebel, und drohten einmal Einzelheiten daraus hervorzusickern, wandten Bobs Gedanken sich eiligst davon ab. Das Ende einer Ehe war eine schlimme Sache. Es war schlimm, ganz egal, wie es dazu gekommen war. (Die arme Adriana aus der Wohnung unter ihm, wo immer sie jetzt sein mochte.)
    Noch letztes Jahr hatte Sarah zu ihm gesagt: »Niemand steigt aus einer so langen Ehe aus, ohne dass eine dritte Partei im Spiel ist. Sie hat dich betrogen, Bob«, und Bob hatte ihr ruhig geantwortet, das sei nicht der Fall. (Und sollte es doch so gewesen sein, was spielte es noch für eine Rolle?) Aber Jims Anspielungen hatten Bob tief verunsichert. Er war dieses Jahr nicht zu Pams Weihnachtsparty gegangen; er hatte Arbeitsüberlastung vorgeschützt und sich stattdessen in die Grillbar in der Ninth Street gesetzt. Bisher hatte er ihren Jungen immer etwas zu Weihnachten geschenkt, und eigentlich wollte er das auch jetzt noch, aber er tat es nicht. Gleichzeitig kam er sich selbst albern vor, so sehr, dass er das Bild der stets gerechten Elaine aus der Versenkung holte: Was kränkt Sie an dieser Sache am meisten, Bob? Dass sie nicht die ist, für die ich sie gehalten habe. Und was meinen Sie, wer sie ist?
    Das wusste er nicht.
    Er machte kehrt und betrat die Ninth Street Bar & Grill, wo schon einige Stammgäste an der Theke hockten. Gerade als der Mann mit den rötlichblonden Haaren ihm zunickte, summte sein Handy. »Susie«, sagte Bob, »bleib dran.« Er bestellte einen Whiskey pur. Dann sprach er wieder ins Telefon. »Schlimm, ja, ich weiß. Ich weiß es. Ich komme zur Verhandlung. Ja, Charlie soll es mit ihm einüben, so macht man das. Nein, nein, mit Lügen hat das nichts zu tun. Alles wird gut, Susie.« Er hörte zu, schloss die Augen. Er wiederholte: »Ich weiß, Susie. Alles wird gut.«
    Dass sie

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