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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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auftrat.
    Aber der Richter schloss sich ihrer Meinung an, und Zachary wurde endlich aus dem Zeugenstand entlassen. Seine Wangen leuchteten feuerrot, als er am Tisch neben Charlie Platz nahm.
    Während der Richter sich zur Urteilsfindung zurückzog, wurde die Verhandlung unterbrochen. Wieder wanderte Bobs Blick zu Margaret Estaver, wieder das leise Kopfnicken. Bob ging zusammen mit Zachary, Susan und Charlie Tibbetts in ein kleines Zimmer neben dem Gerichtssaal. Dort saßen sie in absolutem Schweigen, bis Susan ihren Sohn fragte, ob er etwas brauchte, und Zachary schaute zu Boden und schüttelte den Kopf. Als ein Gerichtsdiener an die Tür klopfte, kehrten sie in den Saal zurück.
    Der Richter forderte Zachary Olson auf, sich zu erheben. Zach stand auf, die Wangen gerötet wie reife Tomaten, der Schweiß lief ihm tröpfchenweise an den Schläfen herab. Der Richter sprach ihn des Verstoßes gegen die Bürgerrechte schuldig. Er habe mit der Androhung von Gewalt gegen den Ersten Zusatzartikel der Verfassung verstoßen, der die freie Religionsausübung garantierte, und müsse, sollte er der Anordnung, die es ihm untersagte, sich – außer zu einem Besuch bei seinem Anwalt – der Moschee auf weniger als zwei Meilen zu nähern und in jedweder Form Kontakt zur Gemeinschaft der Somali aufzunehmen, nicht Folge leisten, mit einem Bußgeld von fünftausend Dollar und einer Haftstrafe von bis zu einem Jahr rechnen. An dieser Stelle nahm der Richter die Brille ab, sah Zach aus ausdruckslosen (und deshalb beinahe grausamen) Augen an und sagte: »Mr. Olson, in diesem Staat sind derzeit zweihundert solcher Anordnungen in Kraft. Sechs Personen haben dagegen verstoßen. Und die sitzen – ausnahmslos – hinter Schloss und Riegel.« Er richtete den Zeigefinger auf Zach, sein Kopf ruckte nach vorne. »Also, junger Mann, wenn ich Sie das nächste Mal in diesem Gerichtssaal begrüßen darf, sollten Sie Ihre Zahnbürste dabeihaben. Das ist das Einzige, was Sie dann brauchen. Die Sitzung ist geschlossen.«
    Zach schaute sich nach seiner Mutter um. Seinen angstvollen Blick würde Bob nicht so schnell wieder vergessen.
    Und auch Abdikarim vergaß ihn nicht mehr.
    Im Korridor stand Margaret Estaver etwas abseits an der Wand. Bob berührte Zachs Schulter und sagte: »Wir sehen uns zu Hause.«
    Sie fuhren durch die Straßen von Shirley Falls, und schließlich sagte Bob: »Das Urteil stand fest, bevor der erste Zeuge gehört wurde. Das wissen Sie doch, oder? Diese Diane Dodge wollte ihn nur noch mal durch den Wolf drehen.«
    »Ja, das sehe ich auch so«, stimmte Margaret ihm zu. Sie fuhren am Fluss entlang, rechter Hand die verlassenen alten Ziegeleien. Über den leeren Parkplätzen ein hellgrauer Himmel.
    »Es hat ihr Spaß gemacht«, sagte Bob. »Sie hat es genossen.« Als Margaret nicht reagierte, schaute er sie an, und sie erwiderte den Blick anteilnehmend. »Das sieht doch jeder, was für ein armes Würstchen Zach ist«, fügte Bob hinzu. Er setzte die Füße zwischen zwei leere Mineralwasserdosen und eine zusammengeknüllte Papiertüte. Sie hatte sich schon vorher für die Unordnung in ihrem Auto entschuldigt.
    »Sein Anblick bricht einem das Herz.« Margaret bog ab und fuhr an der Volkshochschule vorbei. Sie sagte: »Ich weiß nicht, ob Charlie es Ihnen erzählt hat. Das von Jim.«
    »Jim? Meinem Bruder? Was ist mit ihm?«
    »Er hat der Sache wohl eher geschadet. Ich weiß, dass er gekommen ist, weil er helfen wollte. Aber seine Rede war so gut, dass Dick Hartley dagegen wie ein Idiot aussah, und – was noch schlimmer ist – Jim ist nicht geblieben.«
    »Jim bleibt nie.«
    »Tja.« Margaret sagte das Wort mit einem Seufzer. »In Maine bleibt man.« Strähnen ihres nachlässig hochgesteckten Haars verdeckten einen Teil ihres Gesichts. Sie sagte: »Der Gouverneur hat nach ihm gesprochen, wenn Sie sich erinnern, und es wurde ihm – ich erzähle nur, was ich gehört habe – , es wurde als Mangel an Respekt verbucht, dass Jim genau in dem Augenblick gegangen ist, als der Gouverneur ans Mikrofon trat.« Margaret ging vor einem Stoppschild vom Gas. »Und der Gouverneur«, fügte sie etwas leiser hinzu, »hat natürlich auch nicht so gut geredet.«
    »Keiner redet so gut wie Jim. Es ist das, was er kann.«
    »Das hab ich gesehen. Tatsache ist nur, dass es oben in Augusta negative Reaktionen gab. Ich kenne da jemanden in der Staatsanwaltschaft. Dick Hartley hatte offenbar noch wochenlang an der Sache zu kauen, und sobald sie sicher waren, den

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