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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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Sohn nickte und sagte leise: »Okay.«
    Erst nach Stunden fiel ihr ein, dass sie den Hund nicht wieder hereingelassen hatte. Aber er war noch da, auf der hinteren Veranda, und sein Fell war ganz kalt, als er sich auf Susans Füßen niederließ.

6
    »Helen«, hatte Jim, auf der Bettkante sitzend, am Morgen zu ihr gesagt, »du bist so gut.« Er zog die Socken an, und auf dem Weg ins Ankleidezimmer legte er ihr die Hand auf den Kopf. »Du bist so ein guter Mensch. Ich liebe dich.«
    Um ein Haar hätte sie gesagt: »Ach, Jimmy, geh heute nicht ins Büro«, aber sie drehte sich nur auf die Seite, um ihm nachsehen zu können, und sagte nichts, weil sie sich schon beim Aufwachen wie ein verängstigtes Kind vorgekommen war; wenn sie jetzt noch wie eins redete, würde sie sich nur noch schlechter fühlen. Also stand sie auf, zog den Morgenmantel über und sagte: »Lass uns dieses Wochenende ins Theater gehen. Irgendwas Kleines, vielleicht Off-Off-Broadway.«
    »Können wir machen.« Er rief es aus dem Ankleidezimmer herüber, sie hörte Bügel über die Stange gleiten. »Such was raus, Hellie, und wir gehen hin.«
    Noch im Morgenmantel setzte sie sich an den Computer in dem Zimmer neben der Küche und scrollte sich durch sämtliche New Yorker Theateraufführungen. Als sie merkte, dass der Spaß an der Suche sich abnutzte, wählte sie eine Broadwayproduktion aus, ein Stück über eine – wie die Anzeige versprach – fröhlich dysfunktionale Familie in Alaska. Während sie sich anzog, musste sie plötzlich an ihre alte Tante denken, die eines Tages zu ihr gesagt hatte: Ich habe keinen Hunger mehr, Helen. Ein paar Monate später war die arme Frau tot gewesen. Bei der Erinnerung daran stiegen Helen die Tränen in die Augen, und sie ging zum Telefon, um einen Termin bei ihrem Internisten zu vereinbaren. An Hunger im eigentlichen Sinn fehlte es Helen nicht, aber irgendeine Art von Appetit war ihr abhandengekommen, schien ihr. Ihr Arzt hatte Montag Zeit für sie, weil jemand abgesagt hatte. Das gab ihr ein Gefühl von Effizienz, und als sie auflegte, fiel ihr ein, wie nett Jim vorhin gewesen war, und das wärmte ihr das Herz wie ein schönes Geschenk, das sie bekommen und zwischenzeitlich ganz vergessen hatte. Sie beschloss, den Tag in Manhattan zu verbringen, nahm den Hörer wieder zur Hand und rief zwei Frauen aus dem Küchenkabinett an. Die eine war unterwegs zum Zahnarzt, wo sie ein Implantat bekam, die andere musste mit ihrer steinalten Schwiegermutter essen gehen, aber ihre Reaktionen – Ach, Helen , das wäre so nett gewesen! – gaben ihr ein beschwingtes Gefühl.
    Auf dem Gehsteig vor Bloomingdale’s hörte Helen eine korpulente Frau in ihr Handy sprechen: »Ich hab die Kissen für das vordere Zimmer bekommen, und die Farbe stimmt haargenau«, und plötzlich durchströmte Helen eine nostalgische Freude – als hätte sie die ersten Krokusse des Jahres gesehen. Diese korpulente Frau mit ihren prallen Plastiktüten, die ihr weich gegen die massigen Oberschenkel schlugen, fühlte sich zu Hause in ihrem Leben. Es war der Luxus der Normalität, und mit einem Mal wurde Helen klar, was sie insgeheim vermisst hatte, dabei war es doch alles da: ihre Freundinnen vom Küchenkabinett, die sie so gerne getroffen hätten, ihr liebevoller Ehemann, ihre gesunden Kinder, nein, sie hatte gar nichts verloren.
    Sie saß im Café in der siebten Etage von Bloomingdale’s bei einem frühen Lunch, Kürbiscremesuppe mit Zimt, als ihr Handy anschlug. »Du wirst es nicht glauben, was passiert ist«, sagte Jim. »Zachary ist weg. Er ist verschwunden.«
    »Jimmy, er kann doch nicht einfach verschwinden.« Es war gar nicht so einfach, das schmale Telefon zu halten und sich gleichzeitig mit der Serviette den Mund zu wischen; ganz deutlich spürte sie Suppe auf der Lippe.
    »Offenbar schon.« Jim klang nicht verärgert. Er klang ernsthaft beunruhigt. Helen war es nicht gewohnt, dass ihr Mann ernsthaft beunruhigt klang. »Ich fliege heute Nachmittag noch.«
    »Kann ich nicht mitkommen?« Sie winkte bereits der Kellnerin, um zu bezahlen.
    »Wenn du willst. Aber Susan ist völlig verzweifelt. Er hat einen Brief hinterlassen. Mom, es tut mir leid, hat er geschrieben.«
    »Er hat einen Brief hinterlassen?«
    Sie erwischte ein Taxi, und während der ganzen Fahrt den Franklin-Delano-Roosevelt-Drive entlang und über die Brooklyn Bridge musste sie an Zach und seinen Brief denken. Und an Susan (aber sie hatte kein Bild von Susan vor Augen) – lief sie

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