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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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ruhelos durchs Haus, rief sie die Polizei? Was tat man in solch einer Situation? Man rief Jim an, das tat man. (Und tatsächlich machte sich in Helen, während das Taxi mit ihr die Atlantic Avenue entlangschwankte und -holperte, ein winzig kleiner spitzer Splitter der Erregung bemerkbar. Im Geist erzählte sie die Geschichte bereits ihren Kindern: Oh, es war schrecklich, euer Vater war ganz durcheinander, wir wussten ja nichts, und ich bin in wilder Hast nach Hause und gleich weiter mit ihm zum Flughafen.)

7
    Charlie hatte ihr davon abgeraten, Jim auch, aber als sie nun auf die Ankunft ihrer Brüder wartete, nahm Susan doch den Hörer und rief Gerry O’Hare an. Es war fast schon Abendbrotzeit, und sie machte sich bereit, wieder aufzulegen, falls seine Frau sich meldete, aber Gerry war selber dran. Und so platzte Susan mit der Nachricht heraus, dass Zachary verschwunden war. »Gerry, was soll ich bloß machen?«
    »Seit wann ist er jetzt schon weg?«
    Sie wusste es nicht. Als sie um acht das Haus verlassen hatte, war er noch da gewesen, zumindest hatte sein Auto noch dagestanden. Aber als sie um elf wieder heimgekommen war, weil so wenig los gewesen war, dass ihr Chef sie früher in die Mittagspause geschickt hatte, lag auf dem Küchentisch der Brief. »Es tut mir leid, Mom.« Und sein Auto war weg.
    »Fehlen Gegenstände? Kleider?«
    »Ein paar Kleidungsstücke, glaube ich, und seine Reisetasche und sein Handy. Und dann der Computer und sein Portemonnaie. Er hat ein Notebook. Wenn man sich umbringen will, nimmt man doch kein Notebook mit, oder? Hast du je gehört, dass jemand das gemacht hat?«
    Gerry wollte wissen, ob etwas auf gewaltsames Eindringen hindeutete, und sie sagte nein. Ihre Mieterin Jean Drinkwater sei oben im Zimmer gewesen, sagte sie, und die habe nichts gehört.
    »Schließt ihr die Türen tagsüber ab?«
    »Immer.«
    »Ich kann jemanden rüberschicken, aber … «
    »Nein, nein, bitte nicht. Ich wollte nur – ich warte auf meine Brüder, sie müssen bald hier sein – ich wollte nur wissen, ob jemand seinen Computer mitnimmt, wenn er sich was antun will.«
    »Das weiß kein Mensch, Susan. War er deprimiert?«
    »Er hatte Angst.« Nun zögerte sie doch. Gerry wusste bestimmt auch, was ihnen Ende der Woche von der Bundesanwaltschaft drohte, aber sie brauchte unbedingt jemanden, der ihr sagte, dass ihr Sohn noch am Leben war. Und das konnte ihr keiner sagen.
    Gerry sagte: »Wir haben einen männlichen Erwachsenen, der, soviel wir wissen, das Haus mit ein paar Sachen und seinem Auto verlassen hat. Nichts deutet auf Fremdeinwirkung hin. In einer Vermisstensache würden wir vor Ablauf von vierundzwanzig Stunden nicht einmal einen Bericht schreiben.«
    Das wusste sie bereits von Charlie und Jim. »Tut mir leid, dass ich dich gestört habe«, sagte sie.
    »Du hast mich nicht gestört, Susan. Du bist eine Mutter. Deine Brüder kommen bald, sagst du? Du bist heute Abend nicht allein?«
    »Sie sind gerade vorgefahren. Danke, Gerry.«
    Gerry stand noch eine ganze Weile im Wohnzimmer, bis seine Frau ihn zum Abendessen rief. In seinen langen Jahren als Polizist hatte er nie verstanden – und wie sollte man so etwas verstehen? – , wieso es manche Menschen traf und manche nicht. Gerrys Söhne hatten sich gut gemacht. Der eine war bei den State Troopern, der andere Lehrer an der Highschool, und wer hätte sagen können, womit er und seine Frau dieses Glück verdient hatten? Schon morgen konnte es damit vorbei sein. Ein Telefonanruf, ein Klopfen an der Tür konnte ausreichen, dem Glück der Menschen ein Ende zu machen. Jeder Polizeichef wusste, wie schnell es mit dem Glück vorbei sein konnte. Er ging hinüber ins Esszimmer und zog seiner Frau den Stuhl heraus.
    »Was ist denn in dich gefahren?«, fragte sie neckend. Sie überraschte ihn, indem sie ihm beide Arme um den Hals schlang, und zusammen summten sie ihre Lieblingsmelodie, ein Wally-Packer-Lied aus der Zeit ihrer ersten Verliebtheit, I’ve got this funny little feeling you’re gonna be mine …
    Die Burgess-Kinder saßen am Küchentisch und beratschlagten. Helen, die auch dabeisaß, kam sich fehl am Platze vor. Der Hund schob seine lange Schnauze immer wieder auf Helens Schoß, und als sie sich unbeobachtet glaubte, stieß sie ihn grob von sich weg. Der Hund jaulte auf, Susan schnipste mit den Fingern und rief: »Platz!« Susans Hände zitterten; sie solle ein Beruhigungsmittel nehmen, sagte Bob, und sie antwortete, das habe sie schon. »Ich will nur

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