Das Leben und das Schreiben
Ausgang im Kopf des Schriftstellers nimmt und dann zum Leser überspringt.
Muss man denn immer und ausnahmslos vollständige Sätze konstruieren? Gott behüte. Wenn Ihre Texte nur aus Fragmenten und frei herumtreibenden Satzteilen bestehen, wird nicht die Grammatikpolizei bei Ihnen vorstellig und nimmt Sie fest. Selbst William Strunk, der Mussolini der Rhetorik, erkannte die köstliche Biegsamkeit von Sprache. »Es ist eine bekannte Tatsache«, schreibt er, »dass die besten Schriftsteller manchmal die Regeln der Rhetorik missachten.« Doch fügt er folgenden Gedanken hinzu, den Sie unbedingt beherzigen sollten: »Solange man nicht sicher ist, ob man es gut macht, ist man wahrscheinlich am besten beraten, die Regeln zu befolgen.« Die entscheidende Formulierung hier lautet Solange man nicht sicher ist, ob man es gut macht . Wenn Sie nicht wenigstens ansatzweise begreifen, wie man aus diesen Wortklassen kohärente Sätze bildet, woher wollen Sie dann wissen, ob Sie es gut machen? Oder andersherum: Woher wissen Sie, dass Sie es falsch machen? Die Antwort lautet natürlich: Sie können es nicht wissen und werden es nicht wissen. Wer jedoch die Grundlagen der Grammatik versteht, der entdeckt, dass sie im Kern tröstlich einfach ist, denn der besteht lediglich aus Substantiven, also Hauptwörtern, und Verben, also Tuwörtern.
Nehmen Sie irgendein Substantiv, packen Sie irgendein Verb dazu, schon haben Sie einen Satz. Das geht nie daneben. Felsen explodieren. Jane sendet. Berge gleiten. Alles perfekte Sätze. Viele solcher Fügungen ergeben keinen großen Sinn, aber selbst die etwas ungewöhnlichen (Pflaumen vergöttlichen) haben ein gewisses poetisches Gewicht, das sich nett macht. Diese schlichten Konstruktionen aus Substantiv und Verb sind nützlich – und sei es nur als Sicherheitsnetz beim Schreiben. Strunk und White warnen vor zu vielen einfachen Sätzen nacheinander, aber kurze Sätze können ein Pfad sein, dem man folgen kann, wenn man fürchtet, sich im Dickicht der Rhetorik zu verlieren – zwischen all den einschränkenden und nicht einschränkenden Relativsätzen, modifizierenden Nebensätzen, Appositionen und Hauptsatz-Nebensatz-Gefügen. Wenn Sie beim Anblick dieses weißen Flecks auf der (das heißt Ihrer) grammatischen Landkarte in Panik geraten, dann rufen Sie sich einfach in Erinnerung, dass Felsen explodieren, Jane sendet, Berge gleiten und Pflaumen vergöttlichen. Grammatik ist nicht nur eine ätzende Angelegenheit; sie ist auch der Stab, nach dem Sie greifen, damit Ihre Gedanken auf die Beine kommen und anfangen zu laufen. Außerdem haben diese einfachen Sätze bei Hemingway auch geklappt, oder? Selbst wenn er sturzbesoffen war, war er ein verdammtes Genie.
Wenn Sie Ihre Grammatikkenntnisse aufpolieren wollen, gehen Sie in den nächsten Laden mit Secondhand-Büchern und kaufen eine Grammatik wie Warriner’s English Grammar and Composition – das Buch, das die meisten von uns im ersten und zweiten Jahr auf der Highschool pflichtschuldig in eine braune Einkaufstüte gewickelt nach Hause trugen. Ich glaube, Sie werden erleichtert und entzückt sein, wenn Sie sehen, dass fast alles, was Sie brauchen, auf dem vorderen und hinteren Vorsatzblatt des Buches zusammengefasst ist.
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Obwohl William Strunks Handbuch über Stilistik so kurz geraten ist, findet er genügend Platz, um seine persönlichen Abneigungen in Grammatik und Wortwahl kundzutun. So verabscheut er beispielsweise den Ausdruck »student body« (Studentenkörper) und behauptet, »studentry« (Studentenschaft) sei klarer und habe nicht den makabren Beigeschmack der ersten Bezeichnung. Seiner Meinung nach ist »personalize« (personalisieren) ein Angeberwort. (Als Ersatz für »Personalisieren Sie Ihr Briefpapier« schlägt Strunk vor: »Entwerfen Sie einen Briefkopf«.) Er verabscheut Phrasen wie »die Tatsache, dass« und »etwas in der Richtung«.
Ich habe meine eigenen Abneigungen. Ich finde, dass sich jeder in die Ecke stellen und schämen soll, der »That’s so cool« sagt, und dass ohne Essen (oder in dem Fall ohne Schreibblock) ins Bett geschickt werden soll, wer den noch viel abscheulicheren Ausdruck »at this point in time« (zu diesem Zeitpunkt) und »at the end of the day« (letzten Endes) verwendet. Es gibt noch zwei rote Tücher für mich, die auf der untersten Schreibebene angesiedelt sind, und die will ich eben schnell loswerden, bevor wir weitermachen.
Verben erscheinen in zwei Formen, der aktiven und der passiven. Bei
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