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Das Leben und das Schreiben

Das Leben und das Schreiben

Titel: Das Leben und das Schreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Löwenzahn auf seinem Rasen stehen lassen. Er glaubt selbst in Augenblicken des emotionalen Notstands (und davon gibt es in seinen Romanen mehr als genug) an »sagte er«/«sagte sie«. Gehet hin und folget ihm nach!
    Ist das vielleicht ein Fall von »mach es so, wie ich es sage, nicht so, wie ich es tue«? Der Leser hat das volle Recht, diese Frage zu stellen, und ich bin verpflichtet, ihm ehrlich zu antworten. Ja. Ich bin so ein Fall. Sie müssen nur ein paar meiner Romane durchblättern, um zu sehen, dass auch ich nur ein ganz ordinärer Sünder bin. Das Passiv konnte ich ziemlich erfolgreich vermeiden, aber ich habe so meinen Anteil an Adverbien verstreut, darunter auch einige (es ist mir peinlich, das zu sagen) als Redeeinleitung. (Obwohl ich nie so tief gesunken bin wie »knirschte er« oder »brach es aus Bill hervor«). Wenn ich das getan haben sollte, dann aus demselben Grund, aus dem es jeder andere Schriftsteller auch tut: weil ich Angst hatte, der Leser könne mich sonst nicht verstehen.
    Ich bin überzeugt, dass eine solche Angst der Grund für viele schlechte Texte ist. Wenn man nur zum eigenen Vergnügen schreibt, mag die Angst noch beherrschbar sein – Schüchternheit ist das Wort, das ich dafür benutzt habe. Wenn man jedoch unter Termindruck steht (Aufsatz, Zeitungsartikel, Textprobe für den SAT-Aufnahmetest für das College), kann die Angst sehr bedrohlich werden. Dumbo lernte mithilfe einer Zauberfeder fliegen – Sie mögen aus demselben Grund vielleicht zu einem Verb im Passiv oder zu einem bösen Adverb greifen. Vorher sollten Sie sich aber vor Augen führen, dass Dumbo diese Feder gar nicht brauchte: Der Zauber war in ihm.
    Wahrscheinlich wissen Sie eh, was Sie sagen wollen, und können Ihren Text mit Verben im Aktiv Energie verleihen. Und wahrscheinlich haben Sie Ihre Geschichte so gut erzählt, dass der Leser weiß, wie er etwas sagt, wenn Sie er sagte schreiben – ob schnell oder langsam, glücklich oder traurig. Sollte er in einem Sumpf versinken, werfen Sie ihm auf jeden Fall ein Seil zu … Sie müssen ihn allerdings nicht mit einem dreißig Meter langen Stahlkabel bewusstlos schlagen.
    Gutes Schreiben hat viel damit zu tun, Angst und Affektiertheit abzulegen. Affektiertheit selbst, angefangen mit dem Bedürfnis, einige Schreibstile als »gut« und andere als »schlecht« einzustufen, ist angstbesetztes Verhalten. Gutes Schreiben bedeutet auch, die Werkzeuge, mit denen man arbeiten möchte, überlegt auszuwählen.
    Kein Schriftsteller ist ganz ohne Sünde in diesen Dingen. E. B. White geriet zwar schon als naiver Student in Cornell in die Klauen von William Strunk (Gebt sie mir, wenn sie noch jung sind, und sie gehören für immer mir, hehehe), und er verstand und teilte Strunks Meinung über auf unpräzises Denken zurückzuführende unpräzise Formulierungen. Dennoch gibt er zu, dass »ich › die Tatsache, dass‹ wohl tausendmal im Schaffensrausch geschrieben und vielleicht fünfhundert Mal beim Redigieren mit klarem Kopf herausgestrichen habe. So spät in der Saison nur die Hälfte dieser erstklassigen Würfe getroffen zu haben, also eine Trefferquote von nur 50 % zu haben, das betrübt mich …« Und doch machte E. B. White noch lange Jahre nach seiner ersten durchgesehenen Ausgabe von Strunks »kleinem Buch« von 1957 weiter. Auch ich werde trotz solcher dummen Ausrutscher wie »Das meinst du doch nicht ernst«, sagte Bill ungläubig weiterschreiben. Und Sie tun es wahrscheinlich auch. Die englische Sprache und ihre amerikanische Verwandte besitzen einen einfachen Kern, doch der ist ziemlich glitschig. Ich möchte Sie nur darum bitten, dass Sie Ihr Bestes geben und nicht vergessen: Adverbien zu schreiben ist menschlich, doch er sagte / sie sagte zu schreiben ist göttlich.

4
     
    Nehmen wir nun die oberste Schublade aus unserem Werkzeugkasten, die mit dem Wortschatz und dem ganzen Grammatikkram. Auf der nächsten Ebene finden sich die Stilelemente, die ich bereits kurz gestreift habe. Bei Strunk und White gibt es das beste Werkzeug (und die besten Regeln), die man sich wünschen kann, alles in klarer, einfacher Sprache beschrieben. Die einzelnen Instrumente werden erfrischend bündig dargestellt, angefangen bei der Regel, wie man im Englischen Possessivpronomen zu bilden hat: Immer ein ’s anfügen, selbst wenn das anzufügende Wort auf s endet – man soll immer Thomas’s bike 6 schreiben und niemals Thomas’ bike – bis hin zu Vorschlägen, an welche Stelle der wichtigste

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