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Das Leben und das Schreiben

Das Leben und das Schreiben

Titel: Das Leben und das Schreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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die formaler behandelt werden, gilt es als sehr schlechte Angewohnheit. Schreiben ist veredeltes Denken. Wenn Ihre Magisterarbeit nicht über das Niveau eines Schulaufsatzes mit der Überschrift »Warum mich Shania Twain antörnt« hinauskommt, stecken Sie in großen Schwierigkeiten.
    In der Belletristik sind Absätze nicht so stark strukturiert, sie bilden eher den Takt als die Melodie. Je mehr Romane Sie lesen und schreiben, desto mehr werden Sie den Eindruck bekommen, dass sich Ihre Absätze von selber formen. Und so soll es auch sein. Es ist am besten, beim Verfassen nicht zu viel darüber nachzudenken, wo ein Absatz endet und der nächste beginnt; der Trick ist, der Natur ihren Lauf zu lassen. Wenn es Ihnen hinterher nicht mehr gefällt, können Sie es ja ändern. Darum geht es beim Überarbeiten ja. Schauen Sie sich jetzt einmal das Folgende an:
    Das Zimmer von Big Tony sah anders aus, als Dale erwartet hatte. Das Licht hatte einen seltsam gelblichen Farbton, der ihn an die billigen Motels erinnerte, in denen er übernachtet hatte, diese Motels, in denen er am Ende immer ein Zimmer mit Blick auf den Parkplatz bekam. Das einzige Bild an der Wand zeigte die Countrysängerin Miss May. Es hing schief an einer Heftzwecke. Ein glänzender schwarzer Schuh sah unter dem Bett hervor.
    »Ich weiß nich, warum du mich immer wieder nach O’Leary fragst«, sagte Big Tony. »Glaubst du, ich erzähl dir’ne andere Geschichte?«
    »Wird sie das?«, fragte Dale.
    »Wenn die Geschichte stimmt bleibt sie immer gleich. Die Wahrheit ist nun mal immer die gleiche langweilige Scheiße, tagaus, tagein.«
    Big Tony setzte sich hin, zündete sich eine Zigarette an, fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
    »Ich hab den blöden Kerl seit letzten Sommer nich mehr gesehen. Ich hab ihn hier rumhängen lassen, weil ich ihn witzig fand. Einmal hat er mir so ne Sache gezeigt, die er geschrieben hat, wie es wäre, wenn Jesus bei ihm in der Footballmannschaft in der Schule wäre. Er hatte’n Bild von Jesus mit Helm und Knieschonern und so, aber hinterher wurde er’n richtig lästiger kleiner Wichser! Den hätte ich am liebsten nie kennengelernt!«
    Wir könnten eine ganze Unterrichtsstunde lang über diesen kurzen Text diskutieren. Mögliche Themen wären: Einleitung von wörtlicher Rede (überflüssig, wenn wir wissen, wer spricht – Regel Nr. 17, Überflüssiges auslassen, praktisch angewandt), phonetisch wiedergegebene Sprache (weiß nich,’ne andere) , die Verwendung des Kommas (das Komma fehlt bei dem Satz Wenn die Geschichte stimmt, bleibt sie immer gleich , weil ich will, dass Sie hören, wie es in einem Atemzug, ohne Pause gesprochen wird), der Verzicht auf den Apostroph, wenn der Sprecher einen Buchstaben verschluckt … alles Instrumente aus dem obersten Fach des Werkzeugkastens.
    Aber bleiben wir noch kurz bei den Absätzen. Beachten Sie, wie leicht sie dahinfließen, wie Tempowechsel und Rhythmus der Geschichte Anfang und Ende der Absätze diktieren. Der erste Absatz ist klassisch. Er beginnt mit einem einführenden Satz, der von den folgenden Sätzen ausgeschmückt wird. Die anderen Absätze haben allein die Aufgabe, Dales und Big Tonys Äußerungen voneinander abzusetzen.
    Der interessanteste Absatz ist vielleicht der fünfte: Big Tony setzte sich hin, zündete sich eine Zigarette an, fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er besteht aus nur einem Satz, und beschreibende Absätze bestehen so gut wie nie aus nur einem Satz. Der Satz ist noch nicht einmal besonders gut, technisch gesehen. Um auch in grammatischer Hinsicht nach Warriner’s perfekt zu sein, müsste man eine Konjunktion einfügen (und) . Nun, welchen Zweck erfüllt der Absatz hier?
    Zuerst einmal mag der Satz vielleicht technisch unausgereift sein, aber in die Textpassage als solche fügt er sich gut ein. Der knappe, telegrafische Stil variiert das Tempo und frischt den Text auf. Der Thriller-Autor Jonathan Kellerman verwendet diese Technik sehr erfolgreich. In Survival of the Fittest heißt es: Das Boot war zehn Meter schnittiges weißes Fiberglas mit grauer Zierleiste. Hohe Masten, die Segel eingeholt. Auf dem Rumpf in schwarzen, goldumrandeten Buchstaben der Name Satori .
    Man kann es mit den eleganten elliptischen Fragmenten ohne Verb natürlich übertreiben (das tut Kellerman auch manchmal), aber andererseits können sie den Erzählfluss wunderbar straffen, deutliche Bilder erzeugen und Spannung aufbauen oder die Lektüre einfach abwechslungsreicher machen. Eine

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