Das Leben und das Schreiben
erst letzte Woche wieder gesehn … bricht dir den Verstand und dann kriegt’s dich … und es brennt und saugt … es is von woher gekommen, wo die Sachen nich so sind wie hier … einer von den Professoren hat’s gesagt …«
Und so weiter und so fort, in sorgfältig konstruierten Informationshappen. Es ist schwer zu sagen, was an Lovecrafts Dialog nicht stimmt, eins ist jedoch offensichtlich: Er klingt gestelzt und leblos und ist überladen mit einem bäurischen Idiom (»es is von woher gekommen, wo die Sachen nich so sind wie hier«). Wenn ein Dialog stimmt, spüren wir es. Aber wir hören auch, wenn er schlecht ist, dann schmerzt er im Ohr wie ein schlecht gestimmtes Musikinstrument.
Wie man sich erzählt, war Lovecraft ein Snob und gleichzeitig krankhaft schüchtern (dazu ein rassistischer Eiferer; in seinen Büchern wimmelt es von hinterhältigen Afrikanern und intriganten Juden, über die sich auch mein Onkel Oren nach vier oder fünf Bieren immer Sorgen machte). Er war die Art Mensch, die umfangreiche Briefwechsel führt, aber tatsächlich nur sehr schlecht mit anderen auskommt, wenn sie ihm persönlich gegenüberstehen – würde er heute leben, wäre er bestimmt an vorderster Front in unzähligen Internet-Chatrooms vertreten. Dialoge schreiben ist eine Kunst, die man am besten lernt, wenn man gern mit anderen spricht und ihnen zuhört. Das Zuhören ist besonders wichtig; man greift dabei Akzent, Sprechrhythmus, Dialekt und Slang verschiedener Gruppen auf. Einzelgänger wie Lovecraft geben Gespräche oft nur schlecht wieder, oder schreiben sie mit der Sorgfalt eines Menschen, der einen Text in einer anderen Sprache als seiner Muttersprache verfasst.
Ich weiß nicht, ob der zeitgenössische Romancier John Katzenbach ein Einzelgänger ist, aber sein Roman Das Tribunal (Originaltitel: Hart’s War ) enthält einige denkwürdig schlechte Dialoge. Katzenbach ist einer dieser Autoren, die die Lehrer in Schreibseminaren zur Verzweiflung treiben: ein hervorragender Erzähler, dessen Kunst nur von Wiederholungen beeinträchtigt wird (ein heilbarer Fehler), aber der überhaupt kein Ohr für das gesprochene Wort hat (wohl nicht heilbar). Das Tribunal ist ein Krimi, der in einem Gefangenenlager des Zweiten Weltkriegs spielt – hübsche Idee, aber in Katzenbachs Händen eine problematische Angelegenheit, sobald die Sache ans Laufen kommt. Hier haben wir Oberstleutnant Phillip Pryce, der zu seinen Freunden spricht, bevor ihn die für Stalag Luft 13 verantwortlichen Deutschen abführen. Zwar behaupten sie, ihn zurück in die Heimat bringen zu wollen, doch ahnt er, dass er im Wald erschossen werden soll.
Noch einmal griff Pryce nach Tommy. »Tommy«, flüsterte er, »das hier ist kein Zufall! Nichts ist so, wie es aussieht! Grab tiefer! Rette ihn, Junge, rette ihn! Jetzt glaube ich mehr als jemals zuvor, dass Scott unschuldig ist! … Jetzt müsst ihr euch allein durchschlagen, Jungs. Und vergesst nie: Ich verlass mich darauf, dass ihr das hier überlebt! Ihr müsst überleben! Was auch immer geschieht!«
Er wandte sich wieder zu den Deutschen um. »In Ordnung, Hauptmann«, sagte er mit plötzlicher, unglaublich ruhiger Bestimmtheit. »Ich bin bereit. Machen Sie mit mir, was Sie wollen.«
Entweder merkt Katzenbach nicht, dass jedes Wort aus dem Monolog des Oberstleutnants ein Klischee aus Kriegsfilmen der späten Vierziger ist, oder er versucht absichtlich, mit dieser Nachahmung bei seinem Publikum Gefühle wie Mitleid, Traurigkeit und vielleicht Nostalgie hervorzurufen. Beides funktioniert nicht. Diese Passage ruft nichts anderes hervor als ein Gefühl ungeduldiger Ungläubigkeit. Man fragt sich, ob dieser Text je durch die Hände eines Lektors gegangen ist, und wenn ja, was seinen Korrekturstift aufhielt. In Anbetracht von Katzenbachs Leistungen auf anderen Gebieten scheint sein Versagen hier meine These zu bestätigen, dass das Schreiben guter Dialoge ebenso sehr Kunst wie Handwerk ist.
Viele begabte Dialogschreiber scheinen einfach mit einem guten Ohr geboren worden zu sein, so wie manche Musiker oder Sänger das fast perfekte oder perfekte Gehör haben. Jetzt kommt ein Ausschnitt aus Elmore Leonards Roman Schnappt Chili (Originaltitel: Be Cool ). Sie können ihn mit den Ausschnitten von Lovecraft und Katzenbach vergleichen, wobei Ihnen als Erstes auffallen wird, dass wir es hier mit einem grundehrlichen Gespräch zu tun haben und nicht mit einem geschraubten Monolog:
Chili sah wieder hoch, als Tommy sagte:
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