Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben und das Schreiben

Das Leben und das Schreiben

Titel: Das Leben und das Schreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
überraschenden Bildern und einfacher Sprache. Meine ersten Lektionen darin lernte ich von Chandler, Hammett und Ross Macdonald; noch mehr Respekt vor der Macht der kompakten, beschreibenden Sprache bekam ich vielleicht durch das Lesen der Bücher von T. S. Eliot (die gezackten Klauen, hinhuschend auf dem Grunde stiller Meere, die Kaffeelöffel) und William Carlos Williams (weiße Hühner, rote Schubkarre, die Pflaumen im Kühlschrank, so kühl und süß).
    Wie auch auf den anderen Gebieten der erzählenden Kunst werden Sie sich durch Übung verbessern, doch selbst durch Übung werden Sie niemals perfekt werden. Warum auch? Wo bliebe da der Spaß? Je mehr Sie sich anstrengen, deutlich und einfach zu schreiben, desto mehr lernen Sie über die Komplexität der Sprache. Das wird’ne heikle Sache, Schätzchen; yeah, das wird wirklich’ne heikle Sache. Üben Sie sich in der Kunst, und behalten Sie stets im Hinterkopf, dass es Ihre Aufgabe ist, das zu schildern, was Sie sehen, und dann mit der Geschichte fortzufahren.

7
     
    Nun wollen wir ein wenig über den Dialog sprechen, den Audio-Teil unseres Programms. Der Dialog verleiht den Figuren Stimmen, er ist unerlässlich zur Gestaltung ihres Charakters – nur die Taten sagen uns mehr über eine Person. Aber Sprache kann auch verräterisch sein: Die Aussagen von Menschen können uns Aufschluss über ihren Charakter geben, ohne dass sich die Sprecher dessen wirklich bewusst sind.
    Sie können mir einfach erzählend mitteilen, dass die Hauptfigur Mistuh Butts nie gut in der Schule war, vielleicht kaum zur Schule gegangen ist, aber das Gleiche können Sie mir auf viel anschaulichere Weise über seine Sprache zeigen. Eine der Hauptregeln guter Prosa lautet: Nichts erzählen, was man stattdessen auch vorführen kann:
    »Was meinst du?«, fragte der Junge. Ohne aufzublicken, malte er mit einem Stock im Staub herum. Was er zeichnete, konnte ein Ball sein, ein Planet oder einfach nur ein Kreis. »Meinst du, die Erde dreht sich um die Sonne, so wie alle sagen?«
    »Keine Ahnung, was alle sagen«, erwiderte Mistuh Butts. »Ich hab nich gelernt, was der eine sagt oder der andere. Sagt ja sowieso jeder was anderes, und zum Schluss tut einem der Kopf weh, und man hat kein Ammenit mehr.«
    »Was ist Ammenit?«, fragte der Junge.
    »Geh mir doch weg mit deine Fragen!«, rief Mistuh Butts. Er nahm dem Jungen den Stock fort und brach ihn durch. »Ammenit hast du im Bauch, wenn du was essen willst! Außer, wenn du krank bist! Und ich s oll dumm sein!«
    »Ach, Appetit«, sagte der Junge seelenruhig und malte weiter, jetzt jedoch mit dem Finger.
    Ein gut geschriebener Dialog zeigt, ob eine Figur schlau oder dumm ist (Mistuh Butts muss nicht unbedingt ein Idiot sein, nur weil er »Appetit« nicht aussprechen kann; wir müssen ihm etwas länger zuhören, bevor wir uns eine Meinung darüber bilden), ehrlich oder unehrlich, lustig oder ein alter Trauerkloß. Gute Dialoge, wie sie bei Schriftstellern wie George V. Higgins, Peter Straub oder Graham Greene zu finden sind, machen die Lektüre zur Freude; schlechte Dialoge sind ihr Tod.
    Nicht alle Autoren sind gleichermaßen begabte Dialogschreiber. Man kann seine Fähigkeiten auf diesem Gebiet verbessern, aber wie ein berühmter Mann einmal sagte (es war Clint Eastwood): »Ein Mann muss seine Grenzen kennen«. H. P. Lovecraft war ein genialer Erzähler von makabren Geschichten, aber ein miserabler Dialogschreiber. Das scheint er auch gewusst zu haben, denn unter den Abermillionen Wörtern der Prosa, die er schrieb, sind weniger als fünftausend im Dialog zu finden. Die folgende Passage aus »Die Farbe aus dem All«, in der ein sterbender Bauer das Fremde beschreibt, das seinen Brunnen eingenommen hat, illustriert Lovecrafts Schwierigkeiten mit dem Dialog. Leute, so redet kein einziger Mensch, nicht mal auf dem Sterbebett:
    »Nichts … nichts … die Farbe … sie brennt … kalt und feucht, aber sie brennt … sie hat im Brunnen gesteckt … ich hab sie gesehen … eine Art von Rauch … grad wie die Blumen letztes Frühjahr … der Brunnen hat geleuchtet in der Nacht … alles, was gelebt hat … aus allem das Leben rausgesaugt … in dem Stein … es muss in dem Stein gekommen sein … den ganzen Grund vergiftet … ich weiß nicht, was es will … das runde Ding, das die Männer vom College aus dem Stein gegraben haben … es war dieselbe Farbe … genau dieselbe, grad wie die Blumen und Pflanzen … Samen … sie sind gewachsen … hab’s

Weitere Kostenlose Bücher