Das Leben Zimmer 18 und du
geborgen und beschützt gefühlt? Ist es möglich, dass man sich wirklich sicher erst dann fühlt, wenn man spürt, das Gegenstück zur eigenen Seele gefunden zu haben?
„Es ist verrückt“, sage ich leise. „ Ich bin verrückt.“
„Du bist nicht verrückt. Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich so etwas nicht mehr hören möchte.“
„Ich habe die Leute, die ihre Partner hintergehen, immer verabscheut. Für mich war so was einfach … ich weiß auch nicht … so etwas lässt sich einfach nicht mit dem eigenen Gewissen vereinbaren. Es sei denn …“
„Es sei denn, was?“
Noch immer spüre ich seinen Atem auf meiner Wange, auf meinem Haar.
„Es sei denn, man ist sich sicher, dass man einen vollkommen neuen Weg einschlagen wird“, antworte ich.
Seine Finger. Noch immer weich und warm auf meiner Hand.
„Ich weiß, dass ich es will“, sage ich. „Ich war mir noch nie so sicher. Die Wahrheit ist nur, dass ich Angst habe, nicht stark genug für den letzten Schritt zu sein. Mal abgesehen davon, dass ich nicht weiß, ob du …“ Ich stocke.
„Solltest du dich wirklich irgendwann entscheiden, einen neuen Weg einzuschlagen“, antwortet er, ohne meine Hände loszulassen, „wäre ich der glücklichste Mann auf Erden, dich auf diesem Weg begleiten zu dürfen. Aber bis es soweit ist, kann und darf noch viel Zeit vergehen. Und selbst wenn du merkst, dass es besser ist, bei deinem Mann zu bleiben, ich werde dir immer dankbar für deine Worte sein.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich jemals stark genug sein werde, ihn zu verlassen.“ Ich schlucke. „Ebenso wenig kann ich mir ein Leben ohne dich vorstellen. Und zweigleisig zu fahren würde ich nicht übers Herz bringen.“
„So weit wird es auch nicht kommen, glaub mir. Du wirst stark genug sein, um alles ganz genau zu überdenken. Und was immer du tust, ich werde für dich da sein – selbst wenn es nur als Freund ist.“
„Hast du es auch von Anfang an gewusst?“, frage ich vorsichtig.
„Was?“
„Du weißt, was ich meine.“
„Na ja“, er scheint seine Antwort genau zu durchdenken, „ich habe ziemlich schnell gemerkt, dass wir ähnlich ticken. Genau genommen schon in der ersten Depressionsrunde.“
„Das ging mir genauso.“
„Ich glaube, man kann sagen, dass ich vermutlich von Anfang an ein Auge auf dich geworfen hatte. Aber wie ähnlich wir uns sind, habe ich erst mit der Zeit gemerkt.“
„Eine Auge auf mich geworfen?“, wiederhole ich augenzwinkernd.
„Was ist so lustig daran?“
„Nichts, es ist nur … das aus deinem Mund zu hören ist irgendwie so unwirklich.“
„Ich weiß. Irgendwie ist das alles ziemlich unwirklich. Schon allein, weil ich so viel älter bin als du.“
„Über das Alter habe ich mir nur am Anfang Gedanken gemacht“, antworte ich ehrlich. „Und auch nur kurz.“
Er lächelt schweigend.
Ich lehne mich gegen seine Schulter und starre auf den Fernseher, von dem ich erst jetzt merke, dass er läuft. Ein Musiksender, den er meistens anschaltet, wenn er im Wohnzimmer an seinem Laptop sitzt.
Eine Frau, die ich nicht kenne, singt von fesselnder Liebe. Oder von elektrisierender. Oder ist es euphorisierende?
Wieder verschwimmt die Welt in meinem Augenwinkel.
Ich muss zurück. David wartet sicher und noch bin ich nicht bereit, schwerwiegende Fragen zu beantworten, die sich vielleicht durch eine noch spätere Heimkehr ergeben würden.
„Ich muss dringend ruhiger werden“, sage ich, „bevor ich mich wieder ins Auto setze.“
„Überstürz nichts.“
„Nein, aber …“, ich schaue zu meiner Handtasche, die auf dem Sessel liegt. „Kannst du mir mal die kleine Packung aus meiner Tasche geben? Vielleicht helfen mir die Tropfen, um einen Gang runterzuschalten.“
Bastian sprintet in die Küche, um gleich darauf mit einem Glas Wasser zurückzukehren.
„Hier. Ich habe ein paar Tropfen hineingetan.“
Dankbar greife ich nach dem Glas und umklammere es mit meinen Händen wie einen Rettungsanker.
Ein Schluck.
Zwei.
Wo bin ich da nur hineingeraten?
*
Wie ein straffes undurchlässiges Tuch legt sich die Nacht auf meinen ruhelosen Körper. Er liegt neben mir wie jede Nacht und doch ist alles anders als sonst.
Warum schläft er schon, obwohl er weiß, dass ich eine Panikattacke hatte? Weil er ahnt, dass es keine wirkliche Attacke war und ich aus einem anderen Grund bei Bastian war? Aber wenn es so wäre, wäre es dann nicht umso wichtiger gewesen, auf mich zu warten? Um zu reden oder
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