Das Leben Zimmer 18 und du
mich dir jetzt sofort an den Hals werfe. Ich wollte nur, dass du es weißt.“
„Weißt du“, er zögert kurz, „ich bin kein Freund von voreiligen Entscheidungen. Ganz besonders dann nicht, wenn man emotional so angeschlagen ist, wie du es zur Zeit bist. Du solltest dir wirklich die Zeit nehmen, in Ruhe über all das nachzudenken. Wer weiß, vielleicht denkst du in ein paar Wochen oder sogar Tagen schon völlig anders über das, was du gerade gesagt hast. Nimm dir Zeit.“
„Das sagt sich so einfach.“
„Ich weiß, dass es nicht einfach ist. Aber du bist nicht allein. Ich bin für dich da. Wir sind Freunde – und Freunde sind füreinander da.“
„Freunde“, wiederhole ich monoton.
Seine Stimme ist Trost und Schmerz zugleich.
Er erwidert meine Gefühle, oder habe ich seine Antwort falsch gedeutet?
Erst jetzt wird mir in vollem Umfang bewusst, was ich getan habe. Von einem Moment auf den anderen ist meine bisherige Welt aus den Fugen geraten.
David.
Erst wenige Augenblicke zuvor habe ich ihn wegfahren hören. Wie so oft hat er sich nicht verabschiedet. Zum ersten Mal jedoch bin ich glücklich darüber, dass er nicht hier ist.
„Und was soll ich jetzt tun?“, frage ich, während mein Körper von einem beängstigenden Zittern erfasst wird. Es scheint, als stürzten alle Vorstellungen im selben Moment auf mich ein: Der Gedanke daran, es David zu sagen. Der Gedanke an einen Auszug. Die Frage, was mit dem Haus geschieht, mit unserer Ehe.
Zittern. Immer wieder Zittern.
„Ich bin für dich da“, antwortet er in einfühlsamem Ton. „Jederzeit. Das weißt du. Und wenn du reden willst …“
„Kann ich zu dir kommen?“
„Jetzt noch?“
„Ja, jetzt noch.“
„Ist dein Mann denn nicht da?“
„Nein, und wer weiß, wann er wiederkommt. Ich sage ihm einfach, dass ich eine Panikattacke hatte und mit jemandem reden wollte, der das kennt.“
Augenblicklich fühle ich mich wie eine Verbrecherin. Meine erste Lüge David gegenüber.
„Natürlich kannst du kommen“, sagt er schließlich. „Wenn du das wirklich willst.“
„Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll.“
Und es stimmt. Mein ganzer Körper scheint von einer einzigen Emotionswelle überschwemmt zu werden. Jeder Atemzug elektrisiert, jeder Gedanke lähmt und treibt gleichzeitig an.
Oder ist es mein Herz, das sich instinktiv danach sehnt, nach diesem Geständnis in Bastians Nähe zu sein?
Ich schalte das Handy auf laut, um seine Stimme zu hören, während ich aus meiner Schlabberhose schlüpfe und meine Jeans überziehe. Und ich trage seine Stimme selbst dann noch bei mir, als ich die Treppen hinunterlaufe und meinen Mantel überziehe.
„Ich bin verrückt“, sage ich erneut. „Ich bin einfach verrückt.“
„Du bist nicht verrückt“, antwortet er mit sanfter Stimme, mit der er mich zu beruhigen versteht wie kein anderer. „Das will ich nie wieder hören! Bitte fahr vorsichtig.“
„Ich ziehe mir gerade meine Schuhe an und öffne die Garage mit der Fernbedienung.“
„Wie lange brauchst du, um hier zu sein?“
„Zehn Minuten. Höchstens.“
„Bist du dir sicher, dass du noch fahren kannst? Du bist ziemlich durch den Wind.“
„Ich kann fahren.“ Hektisch werfe ich die Tür hinter mir ins Schloss. „Alles, was ich will, ist jetzt bei dir zu sein. Ich muss dringend zur Ruhe kommen, bevor ich komplett durchdrehe.“
„Es wird alles gut.“
„Glaubst du?“
„Natürlich. Und du darfst nie vergessen: Du bist nicht allein! Egal, wie das alles ausgeht.“
Egal, wie das alles ausgeht. Seine Worte machen mir Angst. Ich möchte gar keine andere Möglichkeit in Betracht ziehen als eine Zukunft, die auch Platz für ihn bietet. Aber wie soll das funktionieren, solange ich mit David verheiratet bin?
Ich setze mich ins Auto und schlage die Tür zu, während mich seine Stimme wie ein treuer Begleiter durch den anbrechenden Abend trägt. Sie begleitet mich, als ich rückwärts die Auffahrt herunterfahre. Und sie ist da, als ich das Ortsausgangsschild hinter mir lasse und langsam die Bundesstraße befahre. Wie ein tapferer Bodyguard auf dem Beifahrersitz, der mir allein durch den Lautsprecher des Handys den Mut zuspricht, den ich jetzt so dringend brauche.
Doch mit jedem Meter, den ich zurücklege, spüre ich meine Angst wachsen. Woher soll ich nur die Kraft nehmen, das alles durchzustehen? Und was wird aus David?
Nein, ich werde ihn nicht verlassen. Das kann und werde ich ihm nicht antun. Niemals!
„Wo bist du
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