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Das leere Grab im Moor

Das leere Grab im Moor

Titel: Das leere Grab im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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hinaufgegangen, saß dort am Schreibtisch und verfaßte einen
langen Brief an seine Mutter.
    Sie wohnte weit weg. Vier
Stunden dauerte die Bahnfahrt. Und das Fahrgeld war so teuer, daß seine Mutter
es nicht allzu oft aufbringen konnte. Seit dem Tode ihres Mannes mußte sie als
Buchhalterin hart arbeiten, um für Tarzan und sich aufzukommen. Trotzdem hatte
sie die beste Schule für ihn ausgesucht. Tarzan wußte das. Und es verpflichtete
ihn. Ohne ein Streber zu sein, bemühte er sich. Mit gutem Erfolg. Und in Sport
und Mathematik war er sowieso der beste.
    Als er jetzt den Brief schrieb,
wurde ihm wiedermal bewußt, wie sehr er an seiner Mutter hing. Oft hatte er
solche Sehnsucht nach ihr, daß er sich am liebsten aufs Rad geschwungen hätte,
um zu ihr zu fahren. Besonders stark war dieses Gefühl immer an den sogenannten
Urlaubswochenenden. Dann fuhren die anderen Heimschüler für zwei Tage nach
Hause. Tarzan mußte meistens im Internat bleiben — weil er das Fahrgeld nicht
hatte. Nur die langen Briefe an seine Mutter trösteten dann ein bißchen. Sie
antwortete mit noch längeren Briefen, und so oft es ging, rief sie abends kurz
an.
    Gerade als Tarzan seinen Brief
beendet hatte, stürzte Klößchen aufgeregt herein.
    „Komm’ mal ans Telefon. Es ist
Gaby. Da ist was passiert. Sie heult.“
    In zwei Sekunden war Tarzan am
Apparat.
    „Gaby? Ja, was ist?“

    Zuerst hörte er nur ihr
Schluchzen. Das klang so herzzerreißend, daß er tief Luft holen mußte. Was Gaby
bekümmerte, war auch sein Kummer. Da gab es kein Halten mehr. Das mußte aus der
Welt.
    „Bitte, sag’s mir, Gaby.“
    „Oskar“, ihre Stimme zitterte,
„ist weg.“
    „Weg? Was meinst du?
Weggelaufen?“
    „Ja.“
    „Unmöglich, Gaby. Der hängt
doch an dir wie... wie ein drittes Bein.“
    Aber das heiterte sie nicht
auf. „Jemand... hat ihn eingefangen“, berichtete sie.
    „Eingefangen? Ich denke, er ist
weggelaufen?“
    „Erst weggelaufen.“ Sie
schneuzte sich die Nase. Dann konnte sie deutlicher sprechen.
    „Ich war noch mit ihm im
Humboldt-Park. Eben. Er sollte nochmal das Bein heben, bevor wir mit dem Backen
beginnen. Weißt ja: Die kleine Grünanlage nicht weit von uns. Dort macht er
abends immer sein Geschäft.“
    „Ich weiß.“
    „Der Park war leer. Ich ließ
Oskar laufen. Plötzlich rannte er dann zu dem anderen Ausgang hin. Den konnte
ich von meiner Seite aus nicht sehen, weil die Hecken davor sind und...“
    „Weiß ich doch. Und?“
    „Also, Oskar rannte so, wie er
sonst nur rennt, wenn er liebestoll ist und irgendwo eine heiße Hündin
gewittert hat. Ich rief. Aber er hörte nicht. Als ich dann zu dem anderen
Ausgang kam, war er nirgends zu sehen.“
    „Woher willst du dann wissen,
daß er...“
    „Auf der Bank beim
Springbrunnen“, unterbrach Gaby ihn, „saß eine alte Frau. Das heißt, so alt war
sie noch nicht, aber total kurzsichtig. Ich habe sie nach Oskar gefragt. Sie
war ganz erstaunt, daß er mir gehört. Sie hat nämlich beobachtet, wie Oskar von
einem Mann angelockt wurde. Mit einem kleinen weißen Spitz hat er ihn gelockt.
Wahrscheinlich war das eine heiße Hündin. Dann hat er Oskar gepackt und ist mit
beiden Hunden unterm Arm zu einem Wagen gelaufen. Der war natürlich längst weg.
Oskar hätte gestrampelt, sagte die Frau. Sie hatte geglaubt, der Mann wäre
Oskars Herrchen.“
    Tarzan biß sich auf die Lippen.
Grimmig ballte er die Fäuste. Gedanken schossen ihm durch den Kopf.
    „Tarzan“, schluchzte Gaby, „Ich
habe solche Angst. Wenn Oskar was geschieht, das... das... dann schnappe ich
über.“
    „Keine Sorge! Was soll ihm denn
geschehen? Hunde werden nicht geschlachtet. Da... hat sich jemand einen Scherz
erlaubt und...“
    „Das glaubst du doch selbst
nicht. Du denkst doch genauso wie ich, daß was anderes dahinter steckt.“
    „Hm. Konnte die Frau
beschreiben, wie der Kerl aussieht?“
    „Eben nicht. Sie hat auch gar
nicht auf ihn geachtet. Hat nur gesehen, daß es ein Mann war. Der Spitz hat sie
mehr interessiert. Ob das wohl ein Hundefänger war, der die Tiere dann woanders
verkauft?“ Wieder schluchzte sie. „Ich... ich will meinen Oskar wiederhaben.“
    „Du kriegst ihn wieder. Hast du
schon deinen Vater verständigt?“
    „Es ging nicht. Mutti hat
gleich bei ihm angerufen. Er leitet eine Razzia (überraschende
Polizeistreife) im Bahnhofsviertel. Da haben sich berufsmäßige
Glücksspieler eingenistet. Um die geht’s. Das kann noch Stunden dauern. Solange
ist er nicht zu

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