Das leere Grab im Moor
Piloten
entdeckt und beim Leeren Grab Beobachtungen gemacht haben. Jedenfalls — wir
sollen den Mund halten. Gut, das werden wir auch. Hast du deiner Mutti was
erzählt?“
„Nein“, hauchte Gaby, „noch
nicht. Ich wollte euch nicht in den Rücken fallen. Und Mutti nicht zu sehr
aufregen. Erst sollte mein Papi... Aber er ist noch nicht zurück.“
Tarzan überlegte einen Moment.
„Lügen kommt nicht in Frage“, meinte er dann. „Dein Vater ist unser bester
Freund und hat uns immer prima geholfen. Erzähl’ ihm alles, wie es ist. Nur,
daß ich mich nachher bei Funke umsehe — naja, kannst es andeuten. Wir hätten
sowas vor, ja?“
„Wahrscheinlich wird es sowieso
ganz spät“, erwiderte Gaby.
„Um so besser. Denn dann ist
die Sache gelaufen. Bis nachher also, Gaby. Ich rufe an.“
Wiedermal verging die Zeit im
Schneckentempo. Das Abendessen wurde zu viert eingenommen — mit Klößchens
Eltern. Natürlich gab’s vegetarische Kost, und Tarzan fühlte sich wie ein
Karnickel.
Funkes Kräutertees, dachte er,
fehlen hier noch. Aber wer weiß! Vielleicht bezieht Frau Sauerlich schon seit
langem Löwenzahn, Pestwurz und ITolunder für ihre Köstlichkeiten ahnungslos von
unserem lieben Fritz Funke.
Nach dem Essen gingen die Jungs
auf Klößchens Zimmer, wo die Köchin Schinkenbrote auf den Tisch gestellt hatte.
Herr Sauerlich kam diesmal nicht. Im Fernsehen begann ein interessanter Film,
und Frau Sauerlich bestand darauf, daß ihr Mann von Anfang an dabei war. „Sonst
muß ich dir wieder alles erzählen“, hatte sie gesagt. Herr Sauerlich, fügsam
wie er war, ließ jetzt den Film mit knurrendem Magen über sich ergehen.
Vermutlich würde er um Mitternacht in die Küche schleichen.
Als Frau Sauerlich um zehn Uhr
Gute Nacht wünschte, lagen die Jungs im Bett. Fünf Minuten später hatten sie
dieselben dunklen Sachen angezogen wie gestern abend. Klößchen nahm auch wieder
seine ulkige Kappe, mit der er heute noch komischer aussah. Aber das lag wohl
mehr an der grimmigen Entschlossenheit seiner Miene.
Heimlich verließen die beiden
das Haus. Vor einem Kino trafen sie sich mit Karl. Die Nacht war mondlos und
dunkel, aber lau. Als sie zur Bricheisenstraße fuhren, kreuzte ein
Streifenwagen der Polizei ihren Weg. Und die drei fühlten sich wie Einbrecher,
die zu einem nächtlichen Coup unterwegs waren.
Tarzan wußte, daß es gefährlich
werden konnte. In gewisser Weise war Funke gewarnt. Falls er Oskar entführt
hatte, würde er vielleicht sogar mit nächtlichem Besuch rechnen. Allerdings —
daß die Kinder seine Schlüssel hatten, konnte er nicht wissen. Klößchens Fund
war ein irrer Zufall gewesen.
Am Anfang der Bricheisenstraße
hielten sie.
Einige Laternen brannten.
Motten umflatterten das gelbe Licht, die Nacht war voll von Blütenduft, und
irgendwo in einem Stall gackerte ein Huhn im Schlaf.
„Stockdunkel“, sagte Karl
leise. Und meinte Funkes Haus.
Es verschmolz mit der Nacht,
denn die nächste Laterne stand ein ganzes Stück entfernt.
Vorteilhaft! dachte Tarzan.
Niemand sieht mich, wenn ich zur Hintertür schleiche. Und die beiden sind
tatsächlich ausgegangen. Oder? Schlafen sie schon? Jetzt um halb elf? Nie! Aber
vielleicht sitzen sie im Dunkeln und lauern? Zuzutrauen wäre es denen. Ich muß
höllisch aufpassen. Aber — am wahrscheinlichsten ist doch, daß sie ihren
Millionenschatz feiern. Mit Champagner und allem drum und dran. Wem passiert
das schon, daß er 15 Millionen findet, obwohl er nur nachsehen wollte, ob sein
Gewehr noch im Versteck ist.
„Ihr wartet hier“, sagte Tarzan
leise. „Am besten, dort hinter den Büschen — falls die beiden zurückkommen.
Dann müßt ihr mich natürlich warnen. Karl, du pfeifst auf den Fingern. Das
fällt zwar auf, aber das müssen wir in Kauf nehmen. Alles klar?“
Die beiden nickten.
„Oskar ist nicht in der Bude“,
sagte Karl düster. „Er würde jaulen. Allein lassen könnten sie ihn nicht.“
„Vielleicht haben sie ihn mit
irgendeinem Mittel betäubt.“
„Jedenfalls — falls du in
Schwierigkeiten kommst, hauen wir dich raus“, sagte Karl. Und für ihn, den sonst
so Friedfertigen, war das ein wilder Entschluß.
Tarzan schob sein Rad hinter
die Sträucher. Es waren Holunderbüsche. Bei Tage wären sie als Versteck
untauglich gewesen — denn wie durch ein weitmaschiges Netz konnte man durch
Zweige und Blätter sehen. Aber jetzt bei Nacht erfüllte es seinen Zweck.
Er legte sein Rad auf den
Boden. Karl und Klößchen bezogen
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