Das leere Grab im Moor
erreichen. Meine Mutti ist auch völlig verzweifelt. Den Kuchen
backen wir nicht. Dazu hat niemand mehr Lust.“
„Hm.“
„Was ist, Tarzan?“
„Ich denke nach.“
„Bitte, dir fällt doch immer
was ein. Kannst du nicht...“
„Klar, Gaby! Aber beruhige dich
erstmal. Ich meine, es gibt nur zwei Möglichkeiten.“
„Wieso? Schlechte Menschen gibt
es zu Tausenden. Du müßtest mal hören, was mein Papi. .
„Gaby, wir müssen von einer
anderen Voraussetzung ausgehen. Wer stiehlt denn heutzutage Hunde? Ausgesetzt
werden sie, ja in ungeheurer Zahl. Das ist die Situation. Wer Oskar gestohlen
hat, der führt was ganz bestimmtes im Schild. Ich würde sagen, es zielt nicht
nur auf dich. Es zielt auch auf Karl, Klößchen und mich. Jemand will uns eins
draufgeben, daß wir mit den Ohren schlackern. Jemand, dem wir zu nahe gekommen
sind. Jemand, der weiß, daß wir vier zusammengehören. Jemand, der Oskar bei uns
gesehen hat. Dieser Jemand brauchte dir nur zu folgen — und schwupp half ihm
der Zufall. Leider spielen die Umstände oft den Verbrechern in die Hand. Aber
wer kommt als dieser JEMAND in Frage?’’
„Funke!“ sagte sie aufgeregt.
Und Klößchen, der neben Tarzan stand, formte stumm mit den Lippen denselben
Namen.
„Funke“, nickte Tarzan. „Und
Harry Smith, der Pilot. Wobei ebenso gut der Penner Stulla der Hundefänger
gewesen sein kann. Beide — ich will mal sagen — Banden kennen uns. Beiden sind
wir auf die Zehen getreten. Das ist jetzt die Rache!“
„Dann... dann“, wimmerte Gaby,
„wird Oskar von ihnen umgebracht. Mein Gott, hätten wir doch nur nicht...“
„Nein, nein!“ sagte Tarzan.
„Umbringen werden sie ihn bestimmt nicht. Das wäre unnötig und sinnlos. Aber
sie werden Oskar benutzen, um uns Angst zu machen. Der Schreck steckt uns
bereits in den Knochen. Aber das, Gaby, kann nur heißen: Jetzt erst recht. Wenn
Oskar bei Funke ist, dann finde ich unser Schlappohr. Heute nacht sehe ich mich
dort um. Auch wenn Funke und seine rothaarige Liese im Haus sind. Ist mir
völlig egal. Falls ich Oskar dort nicht finde, bin ich bei Tagesanbruch im
Moor. Um den Piloten zu suchen. Wenn er und Stulla unseren Oskar haben, dann
gnade ihnen Gott. Dann bin ich auch nicht mehr fair.“ Gaby schluckte. „Ich weiß
überhaupt nicht mehr, was richtig ist.“
„Vor allem, Gaby: Was ich bei
Funke vorhabe, darf jetzt noch niemand wissen. Ja?“
„Ja“, erwiderte sie mit dünner
Stimme. „Ich halt’ dir die Daumen. Bitte, ruf’ an, wenn du Oskar finden
solltest. Ganz egal, ob es mitten in der Nacht ist.“
„Klar, Gaby! Und halt’ die
Ohren steif. Wir werden’s schon machen.“ Er legte auf.
„Mann!“ sagte Klößchen. „Das
ist ein Ding! Diese Verbrecher! Es kommt immer schlimmer. Das ist ein
Hunde-Kidnapping.“
Tarzan nickte. „Aber damit
begehen sie — Funke und seine Rothaarige oder Smith und Stulla — einen
Riesenfehler. Die wissen nämlich nicht, daß Oskar unser Kumpan ist. Daß er
richtig zu uns gehört. Und daß wir nichts — aber auch gar nichts — scheuen, um
ihn rauszuhauen. Oskar, unser Schlappohr, ist ein ganz treuer und ganz lieber
Hund. Ohne uns ist er hilflos. Deshalb...“
Tarzan vollendete den Satz
nicht, sondern spuckte in die Hände.
Klößchen nickte. „Denen wird’s
noch leid tun“, sagte er.
12. Die Ganoven verbünden sich
Gabys zweiter Anruf kam um
19.07 Uhr.
Sie weinte nicht mehr. Aber
ihre Stimme klang so klein und piepsig, daß es Tarzan ins Herz schnitt.
„Eben“, sagte sie, „hat jemand angerufen.
Ein Mann. Aber er hat die Stimme verstellt. Ich könnte nicht sagen, ob es Funke
war. Ich war zufällig am Apparat. Mutti ist oben bei Grützners. Der Mann
fragte, ob ich das Mädchen mit dem Cocker Spaniel wäre. Bin ich, sagte ich.
Ganz drohend hat er darauf gesagt: Wenn ihr ein Wort — nur ein einziges Wort
über die Sache verliert, dann siehst du deinen Hund lebend nicht wieder. Das
hat er gesagt, Tarzan. Und dann sofort aufgelegt. Ich konnte nichts fragen.
Ich... war auch wie gelähmt. Was meint der nur?“
„Wie ich’s mir dachte“, sagte
Tarzan. Er war ruhig wie ein Stück Holz. Kaltblütig bleiben, das war jetzt die
Hauptsache. „Funke weiß nicht, daß wir beobachtet haben, wie er den Schatz
fand. Aber er weiß, daß wir ihn anzeigen können, weil er Alkohol an Kinder
verkauft. Das zum Beispiel könnte mit der Sache gemeint sein. Oder —
falls Smith und Stulla dahinterstecken — die Tatsache, daß wir den
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