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Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
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Radierungen kommen, die diesen Bau auf Wikipedia zeigen. Protzig und feist klotzt die Wollenmanufaktur auf diesen alten Stichen allein auf weiter Flur, obwohl nur ein paar Gehminuten vom damaligen und heutigen Linzer Stadtzentrum entfernt, ein aus allen Relationen geratener überdimensionaler oberösterreichischer Vierkanthof, ein großes casernenartiges Gebäude, wie Kohl schreibt, und könnte dann kommen zu der künftigen Industrieruine, die heute auf diesem Grundstück steht, die Tabakfabrik, dicht umgeben von gemischtem Gewerbegebiet und Wohnbauten.
    Könnte mich selbst subtil in den Text hineinschmuggeln mit einem Satz von Johann Georg Kohl: Ich hielt es für meine Pflicht zu sagen, daß ich weiter nichts wäre als ein simpler neugieriger wißbegieriger Reisender. Ja, so verstehe auch ich mich. An den Leiter der Teppichdruckerei hatte Kohl diesen Satz gerichtet, einen Mann französischer Abstammung, Herrn Dufresne, der sich selbst so vorstellte: Bei Farben und Unglück aufgewachsen und mit etwas regem Geiste versehen, bin ich das geworden, was der Besucher aus Bremen nun sieht, ein kaiserlich königlicher Wollendeckendruckerei-Inspector. Dann erläutert Herr Dufresne lang und breit, wie gewinnbringend ein Schild mit der Aufschrift Mit Gott sei, das über den Arbeitern und Maschinen hängt, denn er beschäftige nur Arbeiter mit festem Glauben und katholischer Rechtschaffenheit, und die seien die fleißigsten, die man sich vorstellen könne.
    Und ich würde einen kleinen Exkurs über die Vergänglichkeit einfügen am Beispiel des Linzer Bürgers Christian Sint, der diese erste Textilmanufaktur Österreichs im Jahr 1672 errichtet hatte, an der heutigen Gruberstraße, welche Gegend damals die Spitalwiese im Wörth hieß. Dieser Textilimperiumsbegründer hat keine Spuren hinterlassen in der Industriestadt Linz, kein Denkmal, kein Monument, keine Kupfertafeln an Wirkungsstättenwänden, nur ein mickriger Verkehrsweg ist nach ihm benannt, die Sintstraße – eine kurze Sackgasse im abgelegenen Teil des Linzer Industriehafens.
    Ich fuhr Word am Laptop hoch, um die Ideen zu notieren, geriet aber gleich wieder zum Frankenburger Würfelspiel . Als Wandmalerei gesamte Längswände der Vorhäuser der reichen Bauern bedeckend hatte es uns Arbeiterkinder im Dorf mit düsterer Wucht erschreckt und noch kleiner gemacht, als wir ohnehin schon waren. Wie groß aber waren die Herren im Dorf gewesen, die Bauern, mussten von Bedeutung sein, wenn sie solche Vorgeschichten, solche Herkunftsmythen auf ihre Wände malen lassen konnten. Mit Scheu, die mehr Abscheu war, starrten wir Arbeiterkinder auf die Fresken. Der Mantel im Gras, die ernst und gefasst um ihr Leben würfelnden knorrigen Bauersleute, Meister Rothmantel, der Scharfrichter, meist auf ein Langschwert gestützt, und darüber die mächtige Linde am Haushammerfeld. Da war die Zeit der Lese, da flog der Jodelhut, da trieb am Hammerfelde sich alt und junges Blut. Wie ein riesiger Schirm spannten sich die Äste über das ganze Geschehen, ließen das Betrachterblut vereisen, da mussten die Bauernkinder den Arbeiterkindern gar nicht erzählen, dass, wenn dieses Wandbild Teil eines Comicheftchens wäre, im nächsten Bild siebzehn Bauernleiber an diesen Ästen baumeln würden. Sie erzählten es natürlich, immer wieder, jedes Mal, bei jedem Stehenbleiben vor dem Wandgemälde, und wussten selbst nicht, dass sie logen. Weil nur vier der aufständischen Bauernkrieger an der Linde erhängt worden waren, die anderen dreizehn an den Kirchtürmen von Zweispalten, Vöcklamarkt und Neukirchen.
    Adam Graf von Herberstorff, streng wie das nackte Recht und unbeugsam wie kaltes Eisen, hatte den Bauern Gnade versprochen, wenn sie abließen von der Belagerung des Frankenburger Schlosses, wohin sich der katholische Pfarrer geflüchtet hatte, den die bayerische katholische Herrschaft dem protestantischen Landvolk vor die Nase gesetzt hatte als prahlerische Provokation. Der Herberstorff’sche Wendehals Adam, der in kurzer Folge protestantischen wie katholischen Pfalzgrafen Söldnerdienste geleistet und mit dem jeweiligen Dienstherrn auch gleich die Religion gewechselt hatte, war natürlich nicht nur ein Wendehals, sondern auch ein Lügner und Betrüger. Zu Tausenden hatten ihm die Bauern geglaubt und waren auf das Haushamerfeld gezogen, in sicherem Vertrauen auf des bayerischen Statthalters Wort waren die Anführer vorgetreten. Und waren noch selbigen Tags tot und begraben, jeden Zweiten ließ der

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