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Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
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Ortschaft duckt, als schämte es sich.
    Da lachte die Teufelseiche und kreischte, lasset uns preisen das Schloss zu Niderharthamb, das in dessen Lustgarten, in der Eben und eigen Landgericht, Alkhouener Pfarr, fast inmitten des trächtigen und fruchtbaren berühmten Donauthals gelegen, samt dem Mayrhof dem Löblichen Hochstift Passau zu Lehen gehörig, preiset es, denn es ist ein schön Fürstlich Gebäud. Hart Hamb besang sie. Wo später die neuen Herren dieses Renaissanceschlosses das Schwache und Kraftlose mitsamt der Wurzel ausrissen, als aus dem Hamb ein Heim geworden war, und also aus dem fürstlich Gebäud ein hartes Heim, ein Hartheim.
    Überall können sie gewesen sein, die Ufer von Mutter Wasser, Matka Duna, überall in den stromnahen Voralpenebenen, wo du nur ein Rohr drei oder vier Meter in den Schotter schlagen musst, der gleich unter der dünnen Humusschicht liegt, und schon springt es heraus, das dort gar nicht kostbare Nass, und speist unerschöpflich das Rohr, das sie mit großer Übertreibung einen Brunnen nennen, einen Hausbrunnen.
    Und über dem Graben, inß Schloß, wo iezo das Thor ist, die Eiche hörte nicht auf mit dem Versuch, sich in meinen Kopf einzuklinken, grad neben der Gesint Khammer gegen den iezigen Roßställen, ist ein khurze hülzerne Pruckhen gewest, wo iezo die Roßställ sein. Sie kicherte, schrillte weiter in meinen Ohren. Es ist ein fein Schloss in Österreich, da taten sie stets nur das nicht . Die Pferde im Hof standen nicht auf und rüttelten sich nicht, die Jagdhunde sprangen nicht und wedelten nicht, die Tauben auf dem Dache zogen das Köpfchen nicht unterm Flügel hervor, sahen nicht umher und flogen nicht ins Feld, die Fliegen an den Wänden krochen nicht weiter. Wenn ich nicht irre.

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    Zwei Tage und eine Nacht sind sie vorbeigezogen draußen, sagte meine Mutter und deutete unbestimmt in Richtung Süden, du weißt ja, wo das Lagerhaus war, Panzer und Kübelwagen und Kanonen und Lastwagen mit Männern drauf und Pferdegespanne, zwei Tage, und wir sind draußen gestanden. Und haben die begrüßt, sagte sie nach einer sehr langen Pause.
    Habt ihr da gejubelt, wie man es in den alten Wochenschauen sieht?, fragte ich.
    Gejubelt?, sagte sie laut und trotzig, gejubelt! Was heißt schon gejubelt. Man hat halt gehofft, dass es besser wird. Man hat gewusst, dass man von den Schuschnigg-Schwarzen nichts zu erwarten hat.
    Also gejubelt, beharrte ich.
    Nicht gejubelt, knurrte sie. Heil hat man gerufen. Das hat man einem in der Schule ja gesagt. Ihr geht hinaus zur Bundesstraße, und wenn die Befreier vorbeimarschieren, dann ruft ihr ihnen ein freudiges und zugleich stolzes Heil entgegen. Die Frau Lehrer ist bei uns gestanden und hat den Arm gereckt, damit wir sehen, wie das geht, und hat am lautesten Heil geschrien.
    Sie sah mich an und lächelte ein sehr verlegenes Lächeln. Es war dann eh gleich alles ganz anders, murmelte sie. Den Bürgermeister haben sie abgesetzt, und der Bauer, wo wir dann später gewohnt haben, der Vater von der Anne, ist Ortsgruppenleiter geworden und sein Bruder der neue Bürgermeister. Und Arbeit hat es auf einmal gegeben. Ich kann das nicht mehr hören, wollte ich sagen, nichts mehr von Arbeitsplätzen und Autobahnen, getraute mich aber nicht. Sie musste an meinem Blick die Skepsis gesehen haben und begann mit Rechtfertigungen. Ihr versteht das nicht, sagte sie, wie elend es den Arbeitern vorher gegangen ist, und wie man da eine Begeisterung gespürt hat, wie sich das auf einmal geändert hat. Auf einmal war eine Arbeit da, für jeden. Ihre Stimme wurde leiser, als sie sagte: Und das mit den Juden, das hat man zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht gewusst.
    Der Vater von der Anne, sagte sie nach einem Nachdenken, der war ein Wilder. Ich weiß, sagte ich. Wenn wir Dorfkinder an den lauen Sommerabenden in der beginnenden Dämmerung auf Raubzüge gingen in die Obstgärten der Bauern, war sein Hof der, den wir am meisten fürchteten. Und der uns zugleich am meisten anzog, und zwar nicht nur wegen der Marillen, die an einem Spaliergitter neben dem südlichen Hoftor besonders prall und süß reiften, sondern wegen der Gefahr. Er lauert da mit seiner Schrotflinte, flüsterten die Halbwüchsigen der nachfolgenden Obstdiebegeneration zu, die sich anschickte, den Marillenbaum zu plündern. Und sie erzählten die Geschichte, wie er einem von ihnen nachgeschossen hatte in der Nacht, und ihn auch getroffen hatte.
    Eine höllisch schmerzhafte Angelegenheit. Denn der Bauer

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