Das leere Land
der Volksschule geredet davon, oder so. Dann würde sie zu erzählen beginnen, prophezeite die Eiche.
Dann träumte ich einen verworrenen Traum, in dem ich eine Art Behörde war. Ich hatte einen Körper, aber dieser Körper war das Amt, voll von Schreibtischen und Registerkästen, Wartezimmern und endlos langen Gängen, dieses Amt war ich, ein Amt, das mit einem anderen Amt in einen Krieg verwickelt war, dessen Anlass alle Beteiligten vergessen hatten. Schließlich bekam ich im Traum ein Schreiben vom Sprecher meiner Auftraggeber mit einem beigelegten Verrechnungsscheck, im Begleitbrief freute er sich, mir mitteilen zu dürfen, dass die Auftraggeber von den bisherigen Proben des Aufsatzes so angetan seien, dass sie eine Honoraraufstockung beschlossen hätten, die ich anbei umgehend vorfinden könne. Am Vormittag fragte ich meine Mutter, nachdem sie die Post von unten geholt hatte, ob etwas für mich dabei sei. Sie schüttelte verwundert den Kopf und fragte, ob ich mich postmäßig denn bei ihr angemeldet hätte.
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Was dem Eugipp glanzvoller Beleg ist für die unendliche und allmächtige Kraft des Herrn, die aus Severinus strahlt in die Welt durch jede Pore der heiligen Haut, ist in Wahrheit doch nur eine Verfallsgeschichte. Ein Bericht über die Fortifizierung spätantiker Räume und über die Vergeblichkeit dieser Fortifizierung.
Wenn der Heilige Mann auch noch so sehr bewundert wurde, sogar von den gefährlichsten Gegnern seiner Welt, wenn sie immer wieder zu ihm kamen, um seinen Rat einzuholen, oder, wie Eugipp es formuliert, um seinen Segen zu erhalten vor ihren Zügen nach Italien, sein Tun war doch nicht mehr als der Versuch einer möglichst friktionsfreien Abwicklung des dem Untergang Geweihten.
Odoaker, der große Odoaker, der Wender von Weltgeschichte, kam in des Severinus bescheidene Klause zu Mautern, den Kopf einziehen musste der gebückte Mann, so niedrig war die Tür, und so groß der junge schlanke Skirenkrieger. In armseligen Gewändern sei Odoaker gekommen, heißt es, in räudige Pelze gehüllt und stinkend, wie bei den Germanen üblich, wollte Eugipp damit wohl für diejenigen andeuten, die Wissende waren wie er, aber nun, nach fünfunddreißig Jahren unter germanischer Herrschaft, nicht mehr sagen und schon gar nicht schreiben durften, dass die germanischen Eroberer stanken und sich kleideten wie Tiere. Während Odoaker sich noch bückte unter dem Türstock, was uns Lesern suggerieren soll, er habe das Haupt geneigt vor dem Heiligen Mann, sagte ihm Severinus voraus, er werde einst großen Ruhm ernten.
Und Odoaker zog nach Italien und trat in den Dienst der Leibwache des weströmischen Kaisers Flavius Procopius Anthemius. Dies geschah ungefähr um das Jahr 469 herum. Und die Erzähler der Severinus-Legenden fanden in der in Eugipps Vita nur ein paar Zeilen zählenden Episode vom Treffen des späteren ersten Germanen-Cäsaren mit Severinus einen Aufhänger für üppige Spekulationen. Die beiden Männer hätten einander gekannt vom Hofe Attilas her, sie seien Freunde gewesen, auch später noch, als Odoaker italischer Herrscher geworden war. Sie seien Freunde gewesen, einander zugetan, wie es große Männer sind, die einander in ihrer Größe erkennen, auch wenn der eine an die Dreifaltigkeit glaubte und der andere nicht. Lotter sieht es nüchterner. Severinus war der Repräsentant Westroms, die Germanenführer in und um Noricum und Rätien konnten, so sie in Kontakt treten wollten mit dem Imperium, sich nur an ihn wenden.
In Passau verhandelte Severinus mit Gibuld, dem König der Alemannen, die von Westen und Norden her regelmäßig über die Stadt herfielen, plünderten, raubten, Geiseln nahmen, mordeten. Voll Sehnsucht, den Heiligen zu sehen, sei der wilde Barbarenfürst gewesen, schreibt Eugipp, dann, als sie sich außerhalb Passaus trafen, habe Severinus den König so fest und entschlossen angesprochen, dass Gibuld zu zittern begonnen habe vor Angst. Niemals sei er im Krieg oder bei welchem Anlass auch immer von so starkem Zittern heimgesucht worden, bekannte Gibuld, und er ersuchte den heiligen Mann, einfach nur anzuordnen, was er für richtig halte, er, Gibuld, würde für die Erfüllung sorgen.
Zu deinem eigenen Besten mögest du aufhören, romanisches Gebiet zu verwüsten, und du mögest weiters umgehend alle Geiseln bedingungslos freilassen, befahl der Heilige. Gibuld sagte zu. Doch dann hielt er die Vereinbarung nicht ein. Bis ihn ein Gespenst erschreckte, eine Erscheinung, die
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