Das Legat der Toten
noch weiter und hörte erst auf, als etwas Kaltes ihre Stirn berührte. Es war der Druck der Mündung, mit der Peter Ritter Kreise über die Haut zeichnete.
Dana schaute in die Höhe. Um etwas sehen zu können, mußte sie schon schielen. Das Gesicht ihres Mannes schien sich aufzulösen, und sie verfluchte jetzt die Wirkung des Alkohols. Aber sie war nicht so benebelt, als daß ihr das letzte Wort nicht bewußt geworden wäre.
»Was?« keuchte sie plötzlich.
»Ja, Dana, ich werde dich erschießen. Es ist praktisch mein Entree, aber das verstehst du nicht. Ich muß es tun, um mein neues Leben beginnen zu können.«
»Warum ich?«
»Weil du greifbar bist.«
»Hör doch auf, das ist...«
»Du solltest nicht mehr reden, Dana. Wärst du nüchtern, hätte ich dir geraten, zu beten, so aber wirst du wahrscheinlich auch das nicht mehr können. Goodbye...«
Er drückte ab, bevor seine Frau noch etwas sagen konnte. Die Kugel riß ein gezacktes Loch in die Stirn und blieb noch im Kopf stecken. Dana war auf der Stelle tot. Ihr Körper wurde in den Sessel gedrückt und von der Rückenlehne gehalten. So blieb sie dann als Tote in dem Sitzmöbel hocken.
Der Fernseher lief immer noch. Eine Unterbrechung für die Werbung. Eine laute Stimme pries ein Waschmittel an, und so hatte Peter nicht einmal ein Kissen nehmen müssen, um den Schuß zu dämpfen.
Er war zufrieden.
Ging dann zum Fenster und schaute durch eine schmale Lücke in der Gardine.
Im Garten stand keine Nachbarin. Er sah auch niemand in den umliegenden Gärten. Der Tag war grau und kalt. Ein Wetter wie man es Ende November oft erlebte. Da blieben die Menschen lieber in den Häusern. Für Peter Ritter ein Vorteil.
Er wollte sein Haus noch nicht sofort verlassen, da er noch etwas zu erledigen hatte. Sein Arbeitszimmer lag in der ersten Etage. Es war ein Raum mit einer schrägen Wand und zwei sich gegenüberliegenden Fenstern. Ritter nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. In eine Aktenmappe packte er einige Unterlagen. Auch eine gewisse Menge Bargeld gehörte dazu. Er hatte sich die Summe schon am gestrigen Tag besorgt.
Zufrieden warf er noch einen letzten Blick durch sein kleines Reich. Es tat ihm nicht leid, es verlassen zu müssen. Sorgfältig schloß er die Tür, um wenig später in das gemeinsame Schlafzimmer zu gehen. Dort zog er seine Uniform aus und legte zivile Kleidung an. Ein grauer Anzug, ein weißes Hemd, eine nicht zu auffällige Krawatte. Er ließ sich sogar Zeit dabei, schaute sich im Spiegel an und war schließlich mit sich zufrieden.
Den leichten Wintermantel hängte er über seinen Arm, verließ den Raum und wandte sich der Treppe zu, die nach unten führte. Er wollte nicht mehr zurück ins Wohnzimmer, sondern direkt zu seinem Wagen gehen und wegfahren.
Das Pech erwischte ihn, als er die Treppe zur Hälfte hinter sich gelassen hatte. Es ging so schnell, und er wurde erst aufmerksam, als die Haustür aufging. Es hatte niemand geschellt, und es gab nur einen, der noch einen Schlüssel besaß.
Timmy, sein Sohn.
Er war neunzehn und noch auf der Schule. Timmy war schneller im Haus, als es gut für ihn gewesen wäre. Ritter hatte nicht mit dem Erscheinen seines Sohnes gerechnet. Er hatte Timmy beim Training vermutet, das bis zum Einbruch der Dunkelheit dauerte.
»Hi, Timmy.«
Der Junge hatte seinen Vater noch nicht auf der Treppe gesehen und erschrak, als er die Stimme hörte. Er drehte sich um und schaute Ritter an, der die letzten Stufen ging.
»Du bist hier?«
»Ja, du doch auch.«
»Bei uns fiel das Training aus.«
»Und ich muß weg.«
Timmy schüttelte den Kopf. »Aber nicht als Zivilist. Wieso hast du deine Uniform ausgezogen?«
Ritter hatte sich längst eine Ausrede zurechtgelegt. »Es ist ein bestimmter Auftrag, den ich durchzuführen habe. Ich kann darüber nicht mir dir reden.«
»Wie James Bond?«
»Noch besser.«
Ritter hatte die Antwort sehr ernst ausgesprochen und seinen Sohn damit zum Lachen gebracht. Nicht lange, denn Timmy stellte sofort die nächste Frage. »Wo ist Mutter?«
Peter senkte den Blick und zuckte die Achseln, so daß sein Sohn Bescheid wußte.
»Oh Scheiße, ist sie wieder...«
»Ja, sie hat getrunken.«
Timmy Ritter überlegte einen Moment. Dann hatte er einen Entschluß gefaßt. Er drehte sich um und lief mit schnellen Schritten auf die Tür des Wohnzimmers zu. Er war schon dabei, sie aufzustoßen, als Peter seinen Sohn anrief.
»Timmy, nicht!«
Der scharfe Ruf ließ den Jungen innehalten. Er
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