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Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Titel: Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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alleine die Treppe hinunterkam oder Svenja trug. Mit ihr ging er langsamer, die Holzstufen knarrten dumpfer, und manchmal zitterten die verchromten Metallstäbe des Geländers, wenn er, Svenja zuliebe, den Schwankenden spielte und sich mit letzter Kraft daran festhielt.
    Sie schaute ihn nicht an, als sie den Orangensaft und die Teekanne auf den Esstisch im Wohnzimmer stellte. Auseinandersetzungen wie gestern Abend im Bett thematisierten sie nicht mehr. Jeder von ihnen wartete, bis sich das Restgift langsam im Alltag auflöste – obwohl sie nicht an dessen vollständige Abbaubarkeit glaubten.
    „Gut geschlafen, Svenja-Herz?“ Sie belegte eine Scheibe Toast mit fettreduzierter Geflügelwurst und reichte sie ihrer Tochter. Svenja zuckte nur mit den Achseln und schaute in eine andere Richtung. Daria hegte wieder einmal den Verdacht, dass die Gesprächigkeit ihrer Tochter von ihrer und Frieders Gesprächigkeit abhing.
    Frieder hatte geduscht, und da er sich nie föhnte, hinterließen seine Haare eine Nässespur auf dem Hemdkragen. Über dem Hemd trug er ein hellblaues Sweatshirt mit Marinemotiv (ein Segelboot und ein stilisierter Anker, der das Herstellerlogo abbildete), das Kleidungsstück, das sie am allerwenigsten mochte. Es machte aus seiner relativen Jugendlichkeit – er sah aus wie ein Mann Anfang dreißig, schlank, ohne jeden Bauchansatz, mit glatter, nahezu faltenfreier Gesichtshaut und junger Stimme – eine Art von pueriler Unkörperlichkeit.
    Sie stand auf und ging zur Terrassentür. Der Tag schien freundlich zu werden, auf dem Rasen lag kein Tau, die milchig-graue Wolkendecke zeigte Risse, die ein kräftiges Blau hervortreten ließen. Sie hatte Lust, mit nackten Füßen über den morgenkalten Rasen zu gehen, ließ sich aber in merkwürdiger Weise von der gegenüberliegenden Häuserzeile einschüchtern, dreistöckigen Hochhäusern mit Flachdächern. Sie bildeten eine geschlossene Linie an der S-Bahn entlang. Das war das graue Einheitsgesicht Gerdings vor ungefähr zwanzig Jahren, und hätte es nicht den Boom gegeben, wäre im selben Stil weitergebaut worden. Ihr Haus gehörte, durch einen einfachen Stichweg getrennt, zur neuen Generation, und manchmal fühlte Daria sich schuldig, als hätte nicht sie das Recht, so zu wohnen, sondern ebenjene, erworben durch jahrelange Hochhaustristesse.
    „Ist es ein Vier-Räder-Tag oder ein Zwei-Beine-Tag?“, fragte Frieder und stellte die leergegessene Müslischale aufs Tablett.
    „Ich gehe zu Fuß, Papa.“
    „Was sagt das Wetter dazu?“, fragte Frieder, an seine Frau gerichtet. Daria stand noch mit dem Rücken zu ihm am Fenster. Weil es aber der erste Satz war, den er an diesem Tag zu ihr sagte, und dieser Satz nicht einmal etwas mit ihr zu tun hatte, drehte sie sich absichtlich nicht um, sondern hob nur die rechte Hand und streckte den Daumen nach oben.
    Svenja nahm ihr Pausenbrot und einen Apfel vom Küchentisch und schaute auf die Uhr in der Diele. Sie überlegte, wen sie auf dem Weg treffen wollte und wen nicht. Es gab jene, die früh in der Klasse sein wollten, und andere, die sich jeden Tag auf ein Duell mit der Schulsirene einließen. Svenjas Weg führte sie an den Hochhäusern und der S-Bahn vorbei in den alten Ortskern, wo ihre Grundschule lag. Der Weg war weder weit noch gefährlich. Sie hatte drei Straßen zu überqueren, aber zwei von ihnen waren mit Zebrastreifen und Fußgängerampel ausgerüstet, und bei der letzten und verkehrsreichsten wachte zusätzlich ein Schülerlotse.
    Sie hatte keine Lust, länger zu warten, und zog sich den Anorak an. Frieder erschien in der Diele und fragte, ob er sie nicht doch schnell fahren sollte.
    Svenja schüttelte den Kopf. Sie dachte, wenn er noch bliebe, könnte er doch noch mit ihrer Mutter reden, und sie würden sich wieder besser verstehen.
     
    Eine knappe Stunde später – sie hatte den Tisch abgedeckt, einen Einkaufszettel geschrieben und in Rezeptbüchern geblättert – goss Daria sich einen Sherry ein. Einen Fingerbreit, einen einzigen Schluck, der feuchte Abdruck eines Schwammes auf ihren Lippen. Sie saß auf der Couch, zappte in minimaler Lautstärke durch die Kanäle und blieb bei einem Privatsender hängen, wo eine übergewichtige Frau jenseits der vierzig in einem grellgrünen Rüschenkleid gerade einen alten deutschen Schlager sang und so wild mit ihrem rechten Arm ruderte, als würde sie zu einem gewaltigen Schwinger ausholen. Links im Bildschirm war senkrecht eine Art Thermometer eingeblendet,

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